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Whiskey Lullaby Page 3


  Das Wohngebiet von Whiskey Bayou war um die Whiskybrennerei Walker herum gebaut, die irgendwann im 19. Jahrhundert errichtet worden war. Als ich noch aufs College ging, hatte ich herausgefunden, dass die Walkers entfernte Cousins der Holmes waren, also bemühte ich mich, soviel wie möglich über Whisky zu lernen, für den Fall, dass ich einmal als letzter Nachkomme übrigbliebe und für eine Erbschaft in Frage käme. Das meiste, was ich über Whisky lernte, war, dass ich davon schreckliche Kopfschmerzen und einen trockenen Mund bekam.

  Die Straßen um die Brennerei herum sahen aus, als hätte sie ein betrunkener Gemeinderat geplant, mit krummen Straßen, die teilweise ohne ersichtlichen Grund als Sackgasse endeten, und mit Kreiseln, die keine Ausfahrt zu haben schienen, wenn man erst einmal darin war. Ich weiß noch, wie meine Mutter einmal, als ich klein war, gefühlt stundenlang im Kreis gefahren war, bis meine Schwester Phoebe sich schließlich auf den Rücksitz übergeben hatte.

  Der Beamte, der mich nach Hause fuhr, schien das gleiche Schicksal zu erleiden, wir fuhren immer im Kreis, bis meine Augen in Schielstellug gerieten und mein Magen sich aufbäumte. Endlich setzte er den Blinker und verstieß gegen einige Verkehrsregeln, als er sah, welchen Grünton mein Gesicht angenommen hatte.

  Mein Wohnblock stand direkt südlich von dem Wohngebiet im ,Stadtzentrum‘ von Whiskey Bayou. Er war auf Sumpfland gebaut, was nur eins seiner vielen Probleme darstellte.

  Das Gebäude war ein vierstöckiger quadratischer Bau aus bröckelndem orangen Backstein, Einfach-Glasscheiben – von denen die meisten Sprünge hatten – und einem Treppenaufgang, der das Gebäude in zwei Hälften teilte. Der Parkplatz bestand aus Schotter und traurig aussehenden Sträuchern am Rand des rissigen Bürgersteigs. Die Innenseite war nicht viel besser, aber die Miete war billig.

  »Oje! Hier wohnen Sie?«, fragte der Polizist.

  »Das ist mein Reich«, sagte ich und stieg aus. »Stellen Sie das Auto bitte so weit vom Gebäude weg wie möglich. Ich möchte nicht, dass es etwas abkriegt, wenn das Gebäude mitten in der Nacht zusammenkracht.«

  »Da haben Sie recht«, sagte er, unsicher, ob das ein Witz sein sollte.

  Sollte es. Zumindest ein bisschen.

  »Danke für‘s Fahren«, sagte ich und drehte mich zum Gebäude um. Herr und Frau Nowicki schauten beide aus ihrem Fenster im ersten Stock, also winkte ich ihnen zu und ging die Treppe hinauf.

  Ich wohnte im vierten Stock. Ich hasste den vierten Stock. Der Vorteil war, dass ich echt in Form war, durch das Rauftragen von Einkaufstaschen, Schulbüchern und allem, was ich vom Pottery Barn Einrichtungshaus die vier Stockwerke hinauf befördern konnte. Der Nachteil war, dass Dinge wie Regen und Baumteile immer zuerst bei mir durch die Zimmerdecke kamen.

  Ich erblickte den an meine abschilfernde Wohnungstür geklebten gelben Papierstreifen, als ich meinen Schlüssel ins Türschloss steckte. Es war ein weiterer Räumungsbescheid, der mich unter Strafandrohung aufforderte, die Wohnung fristgerecht zu verlassen.

  Kein Problem.

  Mir würde schon was einfallen.

  Ich riss den Zettel ab, stemmte die durch die Feuchtigkeit aufgequollene Holztür mit meinem ganzen Körpergewicht auf und ging ins Schlafzimmer, wo ich mich bäuchlings aufs Bett fallen ließ.

  Viel mehr konnte ich an einem Tag nicht verkraften. Ich hatte gestrippt, eine Leiche gefunden, eine Gewalttat begangen, mir einen Rausch angetrunken, einem scharfen Inspektor schöne Augen gemacht, den selben scharfen Inspektor mit Verachtung gestraft, mich in einem Streifenwagen nach Hause bringen lassen und einen weiteren Räumungsbescheid bekommen. Und es war noch nicht einmal Abendessenszeit.

  Ich schlief ein, bevor ich dazu kam, mir selbst zu sagen, dass alles nur noch besser werden konnte.

  Kapitel 3

  Sonntag

  * * *

  Ich hatte mir in den vergangenen sechs Monaten eine kleine Auszeit aus der Kirche genommen. Als sich der Sonntagmorgen mit einem Donnerschlag und mit dem Tropfgeräusch des Regenwassers in die in meiner Wohnung herumstehenden Eimer bemerkbar machte, nahm ich das als die perfekte Ausrede, um mich erneut vor einem Sonntagsgottesdienst zu drücken. Ich kuschelte mich wieder unter meine Decke und döste bis Mittag. Außerdem ging meine Mutter hin, sie war also praktisch meine ständige Vertretung.

  Dass ich der methodistischen Kirche von Whiskey Bayou fernblieb, hatte nichts mit Gott zu tun, und auch nichts mit dem neuen Banjospieler, den man als Chorbegleitung eingestellt hatte, oder damit, dass Reverend Peters zu oft am Messwein nippte.

  Es hatte damit zu tun, dass dort vor sechs Monaten meine Hochzeit stattgefunden hatte.

  Es war eine schöne Weihnachtshochzeit. Die Kirche war mit meterweise Tüll und roten Rosen dekoriert, die Torte war ein fünfstöckiges Konditorparadies und sieben Brautjungfern waren mit rubinrotem Satin ausstaffiert. Mein Kleid hatte ein Vermögen gekostet, war mit Tausenden winziger Perlchen übersät und hatte eine fünf Meter lange Schleppe. Die Hochzeit war perfekt.

  Es fehlte nichts, außer dem Bräutigam.

  Während ich darauf wartete, zum Altar zu schreiten, war mein Verlobter Greg damit beschäftigt, Veronica Wade, die Hauswirtschaftslehrerin meiner Schule, auf dem Rücksitz der vor der Kirche wartenden Limousine zu vögeln.

  Mein Ex-Schwager erwischte die beiden auf frischer Tat. Derek Pfeiffer, auch ,Trottel‘ genannt, hatte nie etwas mit Fingerspitzengefühl gemacht – auch nicht, als er meine Schwester verließ, um die Menschheit mit seiner Rockmusik zu beglücken. Ich kann Ihnen sagen, er ist kein Bon Jovi. Meine Schwester hätte natürlich auch schlauer sein können, als jemanden zu heiraten, der ihr den Namen Phoebe Pfeiffer gab.

  Es kam Derek nicht in den Sinn, die Nachricht von Gregs Untreue in der Familie zu halten und die Sache in aller Ruhe zu erledigen. Er ging direkt zum Hochzeitsfotografen, damit dieser das Ganze mit der Videokamera aufzeichnen konnte und machte dann von der Vorhalle aus eine Ankündigung an die Hochzeitsgesellschaft.

  Greg und Veronica brannten mit unserer Limousine durch und nutzten die Tickets für die Hochzeitsreise, um sich zwei Wochen lang in den Bahamas auszutoben, während ich mit einer zweihundertköpfigen Hochzeitsgesellschaft fertig werden musste. Ich heiratete nicht an diesem Tag, aber die verfehlte Hochzeit bekam einen Riesenartikel in der Lokalzeitung von Whiskey Bayou und ich habe immer noch Hochzeitstorte in meiner Kühltruhe, was ja nie schaden kann.

  Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich lange genug verschlafen hatte, um den Gottesdienst zu verpassen. Ich wälzte mich aus dem Bett, war plötzlich hellwach und zog mir einen Morgenmantel über. Ich bahnte mir im Slalom zwischen den wassergefüllten Eimern meinen Weg in die Küche, um Kaffee aufzustellen. Während ich auf den durchlaufenden Kaffee wartete, ignorierte ich geflissentlich das rote Blinken meines Anrufbeantworters.

  «Na mach schon.« Ungeduldig wippte ich auf den Füßen vor und zurück. Ich hielt es nicht länger aus, goss mir eine halbe Tasse ein und kippte sie schnell herunter. Als die Nebelschwaden in meinem Kopf sich klärten, konnte ich aufatmen.

  Ich goss noch einmal Kaffee nach, öffnete die Kühlschranktür und stand dann ein paar Minuten lang unschlüssig da, als ich überlegte, was ich wohl mit einem Ei, einem schleimigen Salatkopf, zwei Flaschen Ketchup und einem Sixpack Corona anfangen könnte. Seufzend machte ich den Kühlschrank wieder zu und nahm mir vor, beim Lebensmittelladen vorbeizugehen.

  Vom roten Blinken des Anrufbeantworters begann mein Auge zu zucken, also vergaß ich das Essen und hörte die Nachrichten ab.

  Ich drückte auf ,Play‘ und ließ mich in einen zu stark gepolsterten Sessel fallen, um das Unvermeidliche auf mich zukommen zu lassen.

  »Addison? Bist du zu Hause? Hier spricht deine Mutter.«

  Das sagte sie immer, als würde ich ihre Stimme nicht erkennen.

  »Warum hat dich ein Polizist nach Hause gebracht? Du hattest doch nicht etwa Ärger? Sag mir auf jeden Fall Bescheid, wenn du eine Kaution brauchst. Ich wollte mir eine neue Waschmaschine mit Trockner kaufen. Warum bist du nie zu Hause?«

  Klick.

  Ich atmete ein paarmal tief durch und entspannte mich weiter im Sessel, während ic
h auf die nächste Nachricht wartete.

  Piep.

  »Addison? Hier spricht nochmal deine Mutter. Ich wollte dich erinnern, dass heute Gottesdienst ist.«

  Auf diese Botschaft folgte eine kurze Stille und die Missbilligung war in der Aufnahme klar und deutlich zu hören.

  Klick.

  Piep.

  »Ich habe dich gestern gesehen«, sagte die Stimme.

  Ich setzte mich auf und goss mir dabei heißen Kaffee über die Hand. »Aua, verdammt.«

  »Ich habe gesehen, wie du auf der Bühne für mich getanzt hast.« Die Stimme war verzerrt und ich konnte nicht erkennen, ob es eine Männer- oder eine Frauenstimme war.

  Mir erstarrte die Spucke im Mund, ich bekam eine Gänsehaut und fröstelte, trotz defekter Klimaanlage.

  »Ganz schön unartig, Addison. Ich hätte dich nie für ein so schlechtes Mädchen gehalten. Was würden wohl die braven, aufrechten Bürger von Whiskey Bayou denken, wenn sie von deinem Geheimnis erführen.«

  Das hatte ich mich auch schon gefragt und war zu einem Schluss gekommen – es konnte nichts Gutes sein.

  »Aber keine Angst. Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Im Moment. Und mein Beileid zum Ableben von Bernard Butler. Er war wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Genau wie du.«

  Ein schrilles Lachen drang aus der Aufnahme und ließ mir kalte Schauer den Rücken hinunter kriechen. Angst, wie ich sie nie gekannt hatte, breitete sich in mir aus. Meine Haut wurde klamm vor Schweiß und Punkte tanzten vor meinen Augen.

  Als jemand gegen die Tür hämmerte, schrie ich auf und ließ meine halbvolle Kaffeetasse auf den Teppich fallen. Ich suchte nach der nächstbesten Waffe, sah aber nur einen Haufen Dekokissen und ungefähr ein Dutzend Kerzen, die ich immer dann benutzte, wenn die Dame in der Wohnung unter mir Tofu frittierte.

  »Mach schon auf, du faules Luder.«

  Mit einem nervösen Lachen ließ ich die Luft raus, die ich eingehalten hatte. Die Stimme kannte ich. Ich mühte mich wieder auf die Füße und fragte mich, wieso ich zu einer kleinen Kugel zusammengerollt zwischen Sofa und Wand gesteckt hatte. Mit der Hand stützte ich mich am Türrahmen ab und zerrte am Türknauf. Die rostigen Scharniere und das aufgequollene Holz knirschten, als die Tür aufging.

  »Du musst hier raus. Hier gibt es bald eine Katastrophe«, sagte Kate McClean, als sie an mir vorbei sauste und eine Tüte Donuts auf den kurzen Tresen an meiner Küchenzeile warf.

  Kate war klein, etwa 1,58 m, obwohl sie noch im Streit mit dem Allmächtigen selbst darauf beharren würde, dass sie zwei Zentimeter größer ist. Ihr kinnlanges blondes Haar hatte einen pflegeleichten Schnitt und sie trug kein Make-up. Wir waren gleich alt, aber wenn ich sie zum ersten Mal sehen würde, würde ich sie für eine Schülerin halten. Sie hatte ihre Gottesdienstklamotten schon gegen ihre üblichen Jeans und ein weißes T-Shirt eingetauscht. Profimäßig umschiffte sie die Wassereimer und das abschilfernde Linoleum und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein.

  »Deswegen wurde es ja auch für abbruchreif erklärt«, sagte ich, als ich endlich die Tür zugestemmt hatte.

  Ich öffnete die Bäckereitüte und sog den frischen Duft warmen Gebäcks ein; meine Mutter war wohl doch keine so schlechte Vertretung in der Kirche, wenn Gott mir warme Donuts schickte, anstatt mich zu zwingen, angefaulten Kopfsalat zu essen.

  »Vergiss den Kaffee«, sagte ich zu ihr. »Mittag ist vorbei und jeder weiß, dass man Donuts nachmittags immer mit Bier runterspülen muss.«

  »Hm, die Regel hatte ich vergessen«, sagte sie.

  Ich gab Kate eine Flasche Corona und nahm mir selbst auch eine.

  »Deine Mutter wollte sichergehen, dass du noch lebst, da du es nicht für nötig befunden hast, sie zurückzurufen«, sagte Kate. »Und sich hat mir aufgetragen, dir zu sagen, dass sie dir heute Morgen einen Platz freigehalten hat, falls du doch noch beschlossen hättest zu kommen.«

  »Ach, ist das nett, dass mir meine Mutter die Schuldgefühle über dich schicken kann. Ich kriege hierher noch nicht einmal anständiges chinesisches Essen geliefert, aber Schuldgefühle—”

  »Hey, wofür gibt es denn Freunde?«

  »Donuts und Einkaufen.«

  Ich aß einen Donut und dann ein Apfel-Beignet, als gesunde Portion Obst für den Tag.

  »Heute Morgen habe ich Greg gesehen«, sagte Kate nach einiger Zeit.

  »Schön für dich. Hat ihn der Blitz getroffen?«

  »Nicht, dass ich wüsste. Er sitzt jede Woche in der vordersten Reihe. Vielleicht bemüht er sich so, weil er dich zurückhaben will. Veronica war heute Morgen nicht dabei.«

  »Ha, unmöglich will er mich zurückhaben, und ich würde ihn sowieso nicht nehmen. Er sitzt in der vordersten Reihe und demonstriert Reue, weil er massenweise Kunden verliert, wie ich höre. Anscheinend macht es die Leute ein bisschen unruhig, wenn ihr Versicherungsvertreter beim Fremdgehen erwischt wird.«

  »Hm, das hatte ich nicht bedacht«, sagte Kate.

  »Außerdem sind er und Veronica auf jeden Fall noch zusammen. Sie versucht regelmäßig, mich in der Schule abzupassen, um es mir in allen Einzelheiten auszumalen.«

  »So ein Miststück«, sagte Kate.

  »Das kann man wohl sagen. Ich gehe ihr geflissentlich aus dem Weg, seit sie Sexfotos von beiden mitgebracht und in mein Postfach in der Schule gelegt hat.«

  Zu sagen, dass Veronica Wade und ich uns nicht leiden können, wäre untertrieben. Jede Frau weiß, dass es in der Schule immer eine gibt, die einem das Leben zur Hölle macht. Die, die dir Wasser überschüttet und allen sagt, du hättest in die Hose gemacht. Die, die deine Schnürsenkel zusammenbindet und Juckpulver in deine Turnklamotten schüttet. Kindermobbing vom Feinsten. Aber dann kommt ihr auf die High School und alles wird anders. Körperteile entwickeln sich und Zähne rücken gerade. Sonnenbänke, Nagelstudios und blonde Strähnen werden interessant. Und auf einmal verschiebt sich die Aufmerksamkeit.

  Ich war immer das magere Kind mit Sommersprossen, Überbiss und Kraushaar gewesen. Veronica war der zarte Rauschgoldengel mit Grübchen und leuchtend blauen Augen. Die, die sich mit ihrem süßen Lächeln aus jeder Lage retten konnte. Aber der süße Charme war bis zum ersten High School-Jahr abgeblättert, als sie größer wurde und nun eher einer Bohnenstange ähnelte. Busen und Taille fanden bei Veronica keine Heimat und das Engelshaar wurde an den Wurzeln dunkel. Meine Mutter sagte immer, Veronica sei so hässlich wie hausgemachte Sünde. Selbstverständlich nahm Veronica den Wandel, den die High School brachte, nicht gnädig auf. Das heißt, dass ihre Attacken aus der Grundschule gar nichts waren im Vergleich zu dem, was sie mir in der High School zufügte.

  Vielleicht machte ich es auch nicht besser dadurch, dass ich die neue Beachtung genoss, die mir mein eigener Busen einbrachte. Vielleicht habe ich auch mal einen toten Fisch in ihren Kofferraum und falsche Lösungen für eine Klassenarbeit in ihr Schließfach gelegt, aber nur weil sie angefangen hatte. Wenn sie nicht das Mundstück meiner Oboe mit Superkleber bestrichen hätte (was mir eine sehr schmerzhafte Operation einbrachte) oder die Muttern an meiner Schulbank gelöst hätte, sodass diese beim Hinsetzen auseinanderfiel (ebenfalls mit Schmerz verbunden), dann hätte ich niemals auch nur daran gedacht, eine so lange Rivalität mit Veronica Wade aufrechtzuerhalten.

  Sie war meine Erzfeindin. Meine Nemesis. Wir waren Elizabeth Taylor und Debbie Reynolds. Tupac Shakur und Biggie Smalls. Es ging so weit, dass die Schulverwaltung uns automatisch in verschiedene Klassen setzte, nur um die Folgen zu vermeiden. Dass wir beide schließlich als Lehrerinnen an derselben Schule landeten, in der wir die schlimmsten Jahre unseres Lebens verbracht hatten, war Ironie vom Feinsten. Dass Veronica aufs College ging und mit großen Brüsten, weißblondem Haar, einer neuen Stupsnase, zugespitzten Jochbeinen und einem riesigen Komplex wiederkam, schien den meisten entgangen zu sein. Aber mir nicht.

  »Und was hast du gemacht?«, fragte Kate.

  »Ich sagte ihr, sie solle aufhören, Twinkies zu futtern, weil ihr Hintern auf einem der Bilder echt fett aussah.«

  »Gut, dass sie diese Brustvergrößerung hat machen lassen, um einen Ausgleich zu schaffen.«

  Kate und ich aßen
die letzten zwei Donuts unter langem Fingerschlecken und Seufzen. Ich konnte mir keine bessere Art vorstellen, einen Sonntagnachmittag zu beginnen.

  »Weißt du, was du brauchst, Addison?«, fragte Kate. »Du musst wieder unter Leute. Seit der Hochzeit versteckst du dich. Du hast dich mit keinem Mann verabredet und verbringst deine Zeit nur mit deiner verwitweten Mutter, deinen vierzehnjährigen Schülern und mit mir. Weißt du, Mikes Cousin hat gerade mit seiner Freundin Schluss gemacht, und er fand dich immer schon attraktiv.«

  Mike war seit zwei Jahren Kates Ehemann und seinen Cousin hatte ich kennengelernt. Er war überhaupt nicht mein Typ, was in meinem Leben meist so war, a.) weil er aussah wie einer meiner Schüler und b.) weil er die großen Mengen Spucke nicht kontrollieren konnte, die jedes Mal aus seinem Mund kamen, wenn er ein Wort aussprach, das mit ,S‘ anfing. Ich war mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass ich niemandes Typ war.

  »Ich habe im Moment keine Zeit für Männergeschichten, Kate«, sagte ich und versuchte, sie nicht zu verletzen.

  »Unsinn, ich akzeptiere bei dem Thema kein ,Nein‘ als Antwort. Ich ergreife eine Maßnahme, um dich davor zu retten, dass du eine einsame alte Jungfer wirst. Bald adoptierst du mir noch eine Katzenfamilie. Verlass dich auf mich.«

  Ich widersprach ihr nicht, weil ich tatsächlich letzte Woche vor Grueber‘s Pet Shop in das große Schaufenster mit all den Kätzchen geschaut hatte.

  »Wirst du mir nun sagen, warum du wirklich gekommen bist?« Es schien mir angebracht, das Thema zu wechseln.

  »Verflixt, ich dachte die Donuts würden dich so einlullen, dass ich das Ganze etwas hinterlistig einfädeln könnte.«

  »Ich bin deine beste Freundin. Beste Freundinnen können nicht hinterlistig sein und hoffen, damit durchzukommen.«

  »Nun, ich bin Privatdetektivin. Bei mir ist das anders.«

  Ich verdrehte die Augen und wartete, dass sie zum Thema kam, obwohl ich ziemlich sicher war, schon zu wissen, um was es sich handelte.

  »Ich habe gehört, du hattest gestern einen ereignisreichen Tag«, sagte sie vorsichtig.