Free Novel Read

Whiskey Lullaby Page 6


  »Du wirst nicht mehr so aufsässig sein, wenn du erst einmal auf der Straße sitzt und deine Wohnung abgerissen wird.«

  »Komm schon«, sagte ich. »Meinst du echt, ich hätte noch keine neue Bleibe gefunden?« Ich sah ihr in die Augen und forderte sie heraus, mir zu widersprechen. Ich hatte ja halb etwas gefunden, was nach meiner Denkungsart besser war als gar nichts.

  »Ach, du meinst das hübsche kleine Haus in der Hutton Street?«, fragte Veronica gespielt unschuldig. »Ich hab neulich mit John Hyatt über das Haus gesprochen. Ich dachte, es sei doch genau das Richtige für Greg und mich, diesen Sommer, wenn wir erst verheiratet sind.«

  Mein Blick verschwamm und ich sah rot. »Gibt es einen Grund dafür, dass du versuchst, mir das Leben zur Hölle zu machen? Wir können uns doch sicher darauf einigen, uns für den Rest unseres Lebens gegenseitig aus dem Weg zu gehen.«

  »Tu nicht so, als wüsstest du nicht, warum das zwischen uns so laufen muss. In Whiskey Bayou ist nicht genug Platz für beide von uns und ich kann dir versichern, dass nicht ich mit eingezogenem Schwanz aus der Stadt fliehen werde.«

  Sie ging zu ihrem eigenen Auto zwei Plätze weiter, winkte mir kurz mit den Fingerspitzen zu und lächelte durchtrieben, als sie vom Parkplatz fuhr.

  Ich brauchte jede Faser meiner Selbstbeherrschung, um sie nicht in den Straßengraben zu drängen, als ich mit Vollgas den Parkplatz verließ. Ich würde mit John Hyatt reden. Veronica Wade konnte mir so viele Männer wegnehmen, wie sie wollte, aber mein Haus bekam sie nicht.

  * * *

  Die ,Bank und Treuhandgesellschaft Whiskey Bayou‘ lag schräg gegenüber der Whiskybrennerei Walker und genau gegenüber der Feuerwehr. Sehr praktisch, es sei denn man brauchte Geld zur Hauptverkehrszeit oder bei einem Brand.

  Wie die anderen Gebäude an der Main Street, war es eine Kombination aus Originalarchitektur und modernem Zweckbau, aber irgendetwas an der Bank gab mir ein ekliges Gefühl.

  Ich bin ziemlich sicher, dass es am Geruch lag. Es war eine seltsame Kombination aus Putzmittel, Geld und alten Leuten.

  Ich sah mehrere Leute, die ich kannte und winkte zum Gruß, bevor ich nach hinten in die Darlehensabteilung ging. Kimberly Bowman saß am Vorzimmerschreibtisch, tippte rasch mit roten Fingernägeln und hatte einen Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt.

  Ich war mit Kimberly zur Schule gegangen. Früher hieß sie Kimberly Johnson, aber direkt nach der High School heiratete sie Tim Bowman und bekam knapp drei Monate später ein Kind. Sie wurde nur ein bisschen blass, als sie mich sah, und ich merkte sofort, das etwas nicht stimmte.

  »Addison, welch eine Überraschung«, sagte sie mit einem etwas zu strahlenden Lächeln. »John ist gerade nicht da. Kann ich etwas ausrichten?«

  John Hyatt war ein Halunke der schlimmsten Sorte. Klar, bei potentiellen Kunden strahlte er übers ganze Gesicht, aber meine Mutter hatte mir einmal gesagt, dass sie ihn der schlimmsten Missetaten verdächtigte. Sie sagte, unser Briefträger, der schon seit 25 Jahren kommt, hätte ihr erzählt, er habe schon jede Menge brauner Umschläge ohne Absender in Johns Briefkasten gesteckt. Jeder weiß, dass Umschläge ohne Absender irgendeinen unsauberen Inhalt haben, sonst würde man ja nicht so viel verheimlichen.

  Gerade als Kimberly ihr Sprüchlein aufsagte, sah ich, wie sich die Jalousie an Johns großer Glasscheibe leicht bewegte und ein Paar haselnussbraune Augen sichtbar wurden.

  »Das stimmt nicht. Ich habe gerade seine Augen gesehen, und ich will ihn sprechen. Ich bin Kundin dieser Bank und habe das gute Recht, mit meinem Banker zu sprechen.«

  Kimberly stand zwischen mir und meinem Ziel und fragte sich, ob es die abgebrochenen Fingernägel wert war, mich von der Bürotür fernzuhalten; also tat sie das Klügste und ging mir aus dem Weg.

  Bevor ich die Tür niederwalzen konnte, wurde sie von John mit einem schmierigen Lächeln geöffnet. Sein hellbraunes Haar war glatt nach hinten gekämmt, sein Gesicht frisch rasiert. Er war nicht groß, kaum größer als ich mit meinen 1,76 m, und er war gertenschlank. Es war seine gebieterische Art, die ihn überlebensgroß erschienen ließ. Das, und die Tatsache, dass er Einlagen in den Schuhen trug, um größer zu wirken. Er war nur ein paar Jahre älter als ich, aber er war ein geachtetes Mitglied der Gemeinde, wie sein Vater und sein Großvater vor ihm. Das würde ich alles ändern.

  »Addison, wie geht es Ihnen? Sie sehen heute aber hübsch aus.«

  »Was zum Teufel ist hier los, John? Ich will wissen, warum Veronica Wade meint, sie könne mein Haus kaufen.«

  Er leckte sich nervös die Lippen. »Nun Addison, so etwas kann vorkommen. So ist die Geschäftswelt. Im wirklichen Leben zählt nur, was unter dem Strich steht.«

  »Kommen Sie mir bloß nicht so herablassend. Mir wurde gesagt, ich hätte noch sechzig Tage, bevor ich den Rest des Geldes zahlen müsse. Das steht unter dem Strich. Ich kenne Veronica Wades Methoden und ich hoffe für Sie, dass der Sex es wert war, denn wenn erst meine Mutter damit fertig ist, Gerüchte über Sie zu verbreiten, dann können Sie von Glück sagen, wenn Sie noch einen ruhigen Job im McDonald‘s am Ende der Straße bekommen.«

  Er sog Luft durch die Nasenlöcher ein. Ich war auf Touren und konnte loslegen. Wahrscheinlich sah ich aus wie die Königin der Verdammten, aber das war mir egal. Wütend kam bei mir nicht gut. Eine Frauen können richtig gut einen auf wütend machen, aber wenn ich erst einmal loslegte, stieg mir das ganze Blut ins Gesicht und ich bekam Tränen in die Augen. Ich weinte fast nie. Außer, wenn ich wütend war.

  Ich wischte über meine Wangen und richtete einen nassen Finger auf John Hyatt.

  »Wir haben Papiere unterschrieben. Ich habe Ihnen Geld gezahlt.«

  Er hob die Hand und schaffte es, das gebieterische und selbstsichere Auftreten beizubehalten, das er hatte, als ich hereinkam. »Wenn Sie das Kleingedruckte gelesen hätten, Frau Holmes, dann hätten Sie gesehen, dass beide Seiten während der sechzigtägigen Wartezeit jederzeit die Möglichkeit des Rücktritts haben. Diese Bank hat hier jedenfalls nichts falsch gemacht«, sagte er selbstgefällig.

  Also gut, vielleicht hatte ich keine Zeit gehabt, das ganze Kleingedruckte zu lesen, aber er konnte seinen letzten Dollar darauf verwetten, dass ich das gleich, wenn ich nach Hause kam, nachholen würde. Und so leicht kam mir John Hyatt jetzt nicht von der Angel.

  »Sie haben mich noch nicht bis zum Ende angehört. Banken in Kleinstädten sind nur so gut wie ihr Ruf. Sie sind nur ein kleiner wertloser Wurm, John Hyatt, und eines Tages wird Sie Ihre Art, die Menschen zu behandeln, einholen und Sie in den Hintern beißen. Ich kriege mein Haus. Sie haben mir darauf die Hand gegeben, Sie haben mir Ihr Wort gegeben. Sie wissen, was das für mich heißt, John.«

  John schüttelte den Kopf. Auf seiner Oberlippe perlte Schweiß.

  »Es heißt für mich, dass Ihr Wort einen Dreck wert ist«, sagte ich. Ich achtete darauf, die Tür beim Hinausgehen zuzuschlagen und ignorierte die Blicke und das Flüstern, als ich die Bank verließ.

  In Whiskey Bayou kann es nie dramatisch genug zugehen.

  * * *

  Mein Ärger wurde nicht geringer, als ich zu meiner Wohnung fuhr. Ich würde einige Fremdgeher auf frischer Tat ertappen und, bei Gott, ihre Untreue würde für mein neues Haus bezahlen.

  Ich zog schwarze Yogahosen an, ein passendes Trägerhemd, und zog mein langes Haar durch eine Baseballkappe der Savannah Sand Gnats. Dann füllte ich meinen Rucksack mit Mineralwasser und Studentenfutter und schnappte mir ein Sudoku-Buch, um die Zeit totzuschlagen.

  Nun konnte das Beschatten losgehen.

  Ich joggte zu meinem Auto und nahm es als Zeichen Gottes für eine Wendung zum Besseren, dass die Sonne schien und keine einzige Regenwolke zu sehen war.

  Als ich näher zum Auto kam, stellte ich fest, dass etwas an das Fenster auf der Fahrerseite geklebt worden war. Das Bild war verzerrt und von schlechter Qualität, aber ich konnte das Wesentliche erkennen.

  Es war ein Bild von mir auf der Hauptbühne des The Foxy Lady. Ich sah auf dem Foto ziemlich professionell aus, ich hing kopfüber an der Stange wie die geborene Stripperin. Ich weiß noch genau, wann die Aufnahme gemacht worden war und von wem. H
err Butler war noch sehr lebendig gewesen, als er mich auf seinem Handy verewigt hatte. Das Problem war, dass Herr Butler jetzt nicht mehr so lebendig war, dass er also nicht derjenige sein konnte, der mir das Foto ans Autofenster geklebt hatte.

  Ich sah mich um, sah aber niemanden herumschleichen oder schuldig aus der Wäsche gucken – kein Wunder, da jeder, der länger als fünf Minuten auf dem Parkplatz meiner Wohnanlage herumstand, mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit von herunterfallenden Trümmern getroffen würde. Das Problem war auch, dass die Person, die Herrn Butlers Handy hatte, höchstwahrscheinlich sein Mörder war. Und nun machte sich der Mörder einen Spaß mit mir. Solche Situationen waren immer ungünstig.

  Ich faltete das Bild zusammen und steckte es für den Fall, dass ich einmal ein Sammelalbum anlegen würde, in meine Tasche, bevor ich ins Auto stieg. Ein blödes von einem Mörder liegengelassenes Foto würde mich nicht aufhalten. Mich nicht! Mein Leben nahm eine neue Wendung und diese neue Wendung hatte nichts mit Stripclubs oder Leichen zu tun.

  Ich beschloss, vor meiner Fahrt nach Savannah ein bisschen für John Hyatts Verlobte rumzuschnüffeln. Ich fuhr die Main Street hinunter und bog links in die Whiskey Road ein. John Hyatt wohnte an der Ecke in einem großen dreistöckigen Plantagenhaus mit großem Vorgarten und lauter Blumenbeeten. Scarlett O‘Hara wäre von John Hyatts Haus begeistert gewesen.

  Auf der Straßenseite war an das Haus eine Dreier-Garage angebaut und das ganze Hyatt-Grundstück war von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben. Für einen allein lebenden Mann war das eigentlich sehr viel Platz, aber er hatte es von seinen Eltern geerbt und schien den luxuriösen Stil zu schätzen, den es ausstrahlte. In der Einfahrt stand ein weißer Van, der auf jeden Fall nicht John gehörte, was meine Neugier eine Stufe höher schraubte.

  Ich ging Johns Akte nochmals durch, um sie mir wieder in Erinnerung zu rufen. Fanny Kimble und John Hyatt waren seit dreizehn Monaten verlobt und planten, im Oktober dieses Jahres zu heiraten. Für eine Verlobungszeit schien mir das recht lang, aber ich war ja nicht wirklich eine Expertin auf dem Gebiet. Fanny war eine echte Debütantin der Südstaaten, und so eine Hochzeit, die mehr kosten würde als der Amtseinführungsball des Gouverneurs, beanspruchte vielleicht eine etwas längere Planungszeit.

  In ihrem Gespräch mit Kate hatte Fanny gesagt, dass sie nur montags und donnerstags über Nacht bleiben durfte und dass John sie zu Hause abholen musste, damit die Nachbarn sich nicht die Mäuler zerrissen, wenn sie ihren Wagen über Nacht in seiner Einfahrt stehen sähen.

  »Hm, ein vorsichtiger Mann, dieser John Hyatt. Der Ruf ist alles.«

  Ich fuhr die Straße hinunter und wendete am Ende der Sackgasse. Dann fuhr ich in die Einfahrt von John Hyatts Nachbarn und stieg aus, wobei ich die Nachbarschaft so unauffällig wie möglich in Augenschein nahm. Es war ein wohlhabendes Viertel, in dem die Männer 60-Stunden-Wochen hatten und ihre High-Society-Gemahlinnen ihre gesamte Zeit mit Shoppen in Savannah zubrachten. Um diese Tageszeit waren die Häuser leer.

  Nur nicht das Haus von Victor Mooney.

  Victor Mooney hatte noch nicht einen Tag in seinem Leben gearbeitet und genoss die Dramen im Leben der anderen. Niemand wusste, woher er sein Geld hatte, aber es war genug für einen neuen Cadillac jedes Jahr und für Geldspenden an Projekte, die seinen Namen tragen sollten.

  Er öffnete mir die Tür schon, bevor ich die Veranda erreichte und ich hoffte, dass meine Intuition sich lohnen würde.

  »Guten Tag, Herr Mooney«, sagte ich mit meinem besten Businesslächeln – vor Offenherzigkeit triefend und immer schön die Zähne gezeigt. So etwas lernte ein Südstaatenmädchen mit der Muttermilch.

  Victor Mooney war Ende sechzig und erinnerte an ein frisch geschrubbtes Schweinchen mit Blähbauch. Seine Haut war blass, sein runder Bauch saß auf zwei Wurstbeinen. Er trug immer rote Hosenträger und hatte Pfefferminzbonbons in der Hosentasche.

  »Addison, was bringt dich an diesem schönen Tag zu mir? Ein Mädchen in deinem Alter sollte ausgehen und den Männern den Kopf verdrehen, nicht einen alten Knacker zu Hause besuchen.«

  Seine Wangen färbten sich rosa und ich hatte Lust, ihm über seine weißen Haarborsten zu streichen. Mit einem Zwinkern in seinen blauen Augen beugte er sich zu einem Handkuss herab. Er geleitete mich am Ellenbogen in sein Wohnzimmer und bot mir einen unbequemen Queen-Anne-Stuhl an, auf den ein Liliputaner gepasst hätte.

  »Ich tue eigentlich einer Freundin einen Gefallen«, sagte ich, da ich ganz ehrlich sein wollte. »Erinnern Sie sich an Kate?«

  »Ja natürlich. Ihr Mädchen habt ja eine Menge angestellt, als ihr klein wart«, sagte er und lachte in sich hinein. »Sie hat doch dieses Detektivbüro bei Savannah, nicht?«

  »Ja genau.«

  »Und du arbeitest an einem Fall und ich soll dir helfen.« Herrn Mooneys Gesicht strahlte vor Aufregung, es fiel mir schwer, mich von seiner Begeisterung nicht anstecken zu lassen.

  »Ja, aber was wir hier besprechen, muss unter uns bleiben.« Ich wusste, dass ich gegen alle Klauseln des Vertrags verstieß, den Kate mich hatte unterschreiben lassen, aber sie würde das sicher verstehen, wenn das Endergebnis stimmte.

  »Oh, jaja, natürlich. Ich bin ja so etwas wie ein Vertrauensmann hier in Whiskey Bayou. Ich weiß alle möglichen Dinge über Leute, die ich nie einer Menschenseele gesagt habe. Wusstest du, dass Harley Baines Viagra nimmt?«

  »Nein«, sagte ich, und versuchte, das Bild des korpulenten Stadtrats wieder aus dem Kopf zu bekommen.

  »Und Maggie Murchison kann nicht schwanger werden, weil ihr Mann sich vor drei Jahren die Samenleiter durchtrennen ließ«, fuhr er fort.

  »Oh, die Arme.« Das konnte ich unmöglich meiner Mutter verheimlichen. Roger Murchison sollte man lynchen für so eine Gemeinheit.

  »Und John Hyatt?«, fragte ich.

  »Ah, ja. Hätte ich wissen sollen, dass er deine Zielperson ist. Ich höre, er lässt Veronica Wade das Haus kaufen, das er dir versprochen hatte.« Victor schnalzte enttäuscht mit der Zunge. »Ich bin drauf und dran, zur Bank zu gehen und mein ganzes Geld abzuheben. Eher lege ich es in einem Schuhkarton unters Bett, als dass ich mit einem unehrlichen Banker zu tun habe.«

  »Kommen oft Leute zu Herrn Hyatt ins Haus?«, fragte ich.

  »Oh ja. Es geht dort zu wie im Zirkus. Ständig fahren Autos rein und raus.«

  »Wie können Sie denn die Autos in der Einfahrt sehen, wo die Garage am Haus auf der anderen Seite ist?«

  »Von meinem Balkon im dritten Stock sehe ich fast die ganze Straße«, sagte er verlegen. »Der weiße Van gehört Maria Vasquez. Sie putzt sein Haus und macht die Wäsche, dreimal die Woche. Und montags kommt der Rasenservice zum Mähen und Unkrautjäten. Und freitags morgens kommt ein Mann den Swimming-Pool reinigen. Alles nach Plan, wie ein Uhrwerk.«

  »Und montags und donnerstags abends?«, fragte ich, und dachte an Fannys Aussage, dass sie nur an diesen beiden Tagen über Nacht bleiben durfte.

  »Da holt er seine Verlobte gegen halb sieben ab. Manchmal gehen sie aus zum Essen, aber meist sind sie gegen acht wieder zurück. Sie übernachtet nur an diesen beiden Tagen hier. Am nächsten Morgen bringt er sie gegen halb acht wieder nach Hause.«

  »Sehen Sie niemals andere Frauen im Haus?«

  Er hielt ein und sah mich an, und zum ersten Mal fragte ich mich, ob er mich anlügen würde, um John Hyatt zu decken. Dann seufzte er und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht verstehen, warum ein Mann, der eine schöne Frau an seiner Seite hat, etwas anderes sucht«, sagte er missbilligend. »Es gibt da eine andere Frau, man könnte sagen, sie wohnt fast hier. Ich weiß ihren Namen nicht, aber sie hat lange blonde Haare und eine starke Oberweite. Sie parkt ihren weißen Lexus in der Garage und geht jederzeit ein und aus. Ich wünschte, ich könnte sie dir besser beschreiben, aber ich sehe sie ja nur, wenn ich mal einen Blick durch eins der Fenster oben erwische.«

  »Das ist schon in Ordnung, Herr Mooney. Sie haben mir sehr geholfen«, sagte ich und stand auf, um zu gehen. »Vielleicht könnten Sie ja für mich aufpassen und aufschreiben, zu welchen Zeiten Sie die Frau sehen. Wenn Sie wissen, wonach sie Ausschau halten, bekommen Sie ja vielleicht ein
e bessere Beschreibung.«

  Ich gab Herrn Mooney eine Karte mit meiner Telefonnummer und verabschiedete mich. Ich hatte zwei Fakten in der Hand: Veronica Wade hatte John Hyatt irgendwie überzeugt, ihr mein Haus zu überlassen und Veronica hatte lange blonde Haare und eine große Oberweite. Es war zu früh, um an Zufälle zu glauben, aber die Indizien waren niederschmetternd.

  * * *

  Auf dem Weg nach Savannah warf ich nervöse Blicke auf meine Uhr. Es war drei Minuten vor fünf, als ich meinen Z an der Ecke Jefferson und West Gaston Street einparkte und darauf wartete, dass Barry Crumb Feierabend machte. Ich blickte durch die Linse der Nikon Megapixel Digitalkamera, die Kate mir in der Schule ins Postfach gelegt hatte, und prüfte, ob ich die Tür in der Schusslinie hatte.

  Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, wie man die Kamera bediente. Sie hatte viel zu viele Knöpfe und bewegliche Teile, als dass ich mir zutrauen würde, damit umzugehen, aber Kate hatte mir versichert, ich müsse nur zielen und abdrücken.

  Ich öffnete Barrys Akte, sah mir das 13 x 18 cm große Foto an, das innen festgeklammert war und schüttelte mich. Ich bemühte mich, bei seinem Anblick den Würgereiz zu unterdrücken, aber es ging über meine Willenskraft. Es war mir unbegreiflich, warum irgendjemand mit Barry Crumb schlafen wollte.

  Dr. Crumb war Frauenarzt im Zentrum von Savannah, hatte also einen flotten Job. Keine Geldsorgen, ganz im Gegenteil. Seine Praxis lief prächtig. Aber seine Frau hatte nach dreizehn Jahren Ehe den Verdacht, dass er sich weitläufiger vergnügte und da war es anscheinend mein Job, das eine oder andere herauszufinden.

  Ich schaute noch einmal auf die Uhr. 17.15 Uhr. Sein Auto stand noch auf dem Parkplatz, also war er mir nicht entwischt, während ich es mir an meinem Arbeitsplatz bequem machte. Es kam mir der Gedanke, dass ich für meine neue Laufbahn ein neues Auto brauchen würde, aber James Bond kam mit einem auffälligen Sportwagen klar, also konnte ich das auch.