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Whiskey Lullaby
Whiskey Lullaby Read online
Whiskey Rebellion
Liliana Hart
7th Press
Contents
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Epilog
Prolog
Mein Leben war eine Katastrophe.
Ich saß im Auto, umkrampfte mit beiden Händen das Lenkrad und sah zu, wie der Regen gegen die Windschutzscheibe trommelte. Ich war völlig durchgeweicht, mein Rock war zerrissen, beide Knie bluteten. Meine Arme und mein Hals waren aufgeschrammt, mein Gesicht fleckig und rot vom Heulen. Zusätzlich zu den äußerlichen Verletzungen hatte ich auch einen großen Teil meines Empfindungsvermögens, den größten Teil meines Menschenvertrauens und meine gesamte Unterwäsche irgendwo zwischen einem Friedhof und einem Kirchhofsparkplatz eingebüßt.
Dazu später. Ein grauenvoller Tag.
Ich heiße Addison Holmes, bin weder mit Sherlock noch mit Katie Holmes verwandt oder verschwägert, und wenn Gott nur ein bisschen Erbarmen hat, lässt er mich vom Schlag treffen und setzt all dem ein Ende. Genau seit sechs Tagen arbeite ich nun für die Ermittlungsagentur McClean. Es waren die sechs längsten Tage meines Lebens und ich werde von Glück sagen können, wenn ich die nächsten sechs überlebe. Unsäglich, nicht auszudenken, was mir in sechs Tagen alles passiert ist.
Jetzt lag die unangenehme Aufgabe vor mir, Kate McClean, meiner besten Freundin und Inhaberin der Ermittlungsagentur McClean, zu erklären, wie ich einen simplen Observierungsauftrag vermurkst und dabei eine Leiche gefunden hatte. Noch eine Leiche.
Ich hätte doch lieber Stripperin bleiben sollen.
Kapitel 1
Samstag, sieben Tage vorher
* * *
In den dreißig Jahren meines Lebens habe ich eine ganze Menge Fehlentscheidungen getroffen. Zum Beispiel, als ich acht war und beschloss, mit nichts als den Kleidern, die ich am Leib hatte, ein paar Erdnussbutterkräckern und meinem rosa Schwinn-Fahrrad mit plattem Vorderreifen von zu Hause auszureißen. Und dann, mit sechzehn, als ich beschloss, es sei in Ordnung, bei einem Metallica-Freiluftkonzert meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Und dann noch mit neunzehn, als ich beschloss, dass eine viertel Tankfüllung bis nach Atlanta reichen würde, wenn ich nur die Klimaanlage ausgeschaltet ließ.
Es gäbe da noch ein paar Beispiele, aber ich werde meine Leser nicht mit den Einzelheiten langweilen.
Offensichtlich hat sich mein Urteilsvermögen mit den Jahren verschlechtert, denn diese Fehlentscheidungen waren gar nichts im Vergleich mit der, die ich jetzt gerade in die Praxis umsetzte.
»Hey, Queen of Denial, du bist dran.«
Ich blitzte den Türsteher am Bühneneingang so hochmütig an, wie es irgend ging, zog meinen korsettgeschnürten Bauch ein, warf den Kopf zurück – wobei mir die schwarze Perücke auf der Kopfhaut unbehaglich verrutschte – und ließ meine neunschwänzige Katze so fest knallen, dass sie einen dicken Striemen auf meinem Oberschenkel hinterließ. Haltung war alles, und wenn es nach mir ging, dann würde das The Foxy Lady nach dem ersten Auftritt von Addison Holmes nicht wiederzuerkennen sein.
Die Musik überwältigte meine Sinne und der Bass pumpte im selben Rhythmus durch meine Adern wie mein Herzschlag. Die grellen Lichter stachen mir in die Augen und ich schlich über die Bühne wie Marlene Dietrich, in der Hoffnung, dabei nicht auf die Nase zu fallen. Marlene ist für mich der Inbegriff von sexy – was ja bereits einiges über mich aussagt.
Ich hatte in der letzten Zeit ein kleines Problem. Dazu nur soviel: wer jemals gesagt hat, Geld mache nicht glücklich, hat offensichtlich noch nie Geld gebraucht. In zwei Monaten würde meine Wohnung von einer Abrissbirne heimgesucht, und es gab da in der Stadt so ein hübsches kleines Haus, dass ich kaufen wollte, aber das notwendige Kleingeld dazu war noch nicht wie durch ein Wunder auf meinem Bankkonto eingegangen. In drei oder vier Jahren könnte ich wahrscheinlich eine ansehnliche Anzahlung zusammenbringen, aber die Raten für meinen 350Z Roadster waren mörderisch, dazu kamen noch der Yogakurs, die Kreditkarten, eine neue Satellitenschüssel, die letzte Woche durch mein Dach gefallen war, ein Unterwäsche-Abo, das monatlich bezahlt werden wollte und längst überfällige Hochzeitsrechnungen. Mein Girokonto war im Moment etwas überdehnt.
All diese Dinge wären Kleinigkeiten, wenn ich Tag für Tag in einer Firma, in der Nylonstrümpfe Pflicht sind, das große Geld machen würde. Ich hingegen unterrichtete Geschichte in der neunten Klasse der James Madison High School in Whiskey Bayou, Georgia; also verdiente ich ein bisschen mehr als die Typen, die den ganzen Tag in einem Mauthäuschen sitzen und Pornos schauen, aber ein bisschen weniger als die Straßenarbeiter, die in ihren orangefarbenen Westen am Highway stehen und dem ankommenden Verkehr mit Flaggen zuwinken.
Da ich lieber meine Bikini-Zone einer Wachsenthaarung mit nachfolgendem Salz-Peeling unterziehen würde, als wieder bei meiner Mutter einzuziehen, hatte ich mich offiziell zur verzweifelten Existenz erklärt. Und Verzweiflung führte zu allen möglichen Entscheidungen, die einen Menschen dann heimsuchten bis zum Jüngsten Gericht, wie beispielsweise mich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, vor Männern, die fast so verzweifelt waren wie ich.
Der Rhythmus der Musik durchströmte meinen Körper, als ich im Kreis wirbelte. Das Scheinwerferlicht verbrannte meine Haut und trieb mir den Schweiß ins Gesicht. Etwas kitzelte mich an der Wange. Aus einem Augenwinkel erhaschte ich einen Blick auf etwas Schwarzes und mir wurde bewusst, dass eins der Büschel künstlicher Wimpern, die mir ein Make-Up-Mädchen aufgeklebt hatte, nun wie eine dritte Augenbraue auf meiner schweißglänzenden Haut thronte. Ich wischte lässig darüber, aber es bewegte sich kein Stück. Also beugte ich meinen Kopf nach unten und riss es ab, aber jetzt hing es an meinem Finger, und ich bekam das verflixte Ding nicht ab.
Ich rockte mich runter, bis ich vor einem beleibten Mann niederkniete, dessen rosige Wangen und glasiger Blick von übermäßigem Alkoholkonsum zeugten. Seine Wurstfinger kamen mir etwas zu nahe, also erinnerte ich ihn mit einem kleinen Peitschenhieb an seine Manieren und an den Ehering an seiner Hand.
Mit den Fingern fuhr ich ihm dann durch sein dichtes schwarzes Haar und ließ die Wimpern als Souvenir vom The Foxy Lady zurück. Es ging mir durch den Sinn, dass es ihm schwerfallen könnte, seiner Frau zu erklären, woher die Wimpern kamen, aber dann wurde die Musik schneller und ich musste mir überlegen, wie ich die restlichen zwei Minuten auf dieser Bühne ausfüllen sollte. Wer hätte denn vorher wissen sollen, dass ich mein ganzes Repertoire an Tanzbewegungen bereits nach dreißig Sekunden ausschöpfen würde?
Meine Fußgewölbe schrien vor Schmerz und ich musste vor Erleichterung fast lachen, als ich am anderen Ende der Bühne die Stange sah. Ich könnte ein paar Mal daran herumwirbeln und mich dann ein paar Sekunden hängen lassen, um meinen Füßen etwas Erholung zu gönnen. Ich kenne das aus dem TV. Bei Poledance flippen die Männer aus.
Meine schweißnasse Hand umklammerte die kalte Metallstange und ich ließ mich mit mehr Schmackes herumschwingen, als wohl gut für mich war. Kleine schwarze Punkte begannen, mir die Sicht zu vernebeln und ich bremste etwas ab, bis ich wie ein Pferd an der Longe im Kreis ging.
Ich drehte noch eine Runde und sah, wie mich Herr Dupres, der Barinhaber, missbilligend ansah. Er schwenkte die Arme nach vorn und machte eine Geste, die aussah, als wolle er sich entweder das Hemd ausziehen oder den Brustkorb aufreißen, und mir wurde klar, dass ich noch jeden Fetzen Kleidung am Leib hatte, mit der ich auf die Bühne gekommen war. Ich warf entschlossen meine Peitsche weg und riss mir das Bustier herunter, wodurch die glitzernden Nippelaufkleber zum Vorschein
kamen. Das Bustier warf ich ins Publikum und zuckte zusammen, als das volle Glas, das ich getroffen hatte, sich einem Typen über den Schoß ergoss. Man könnte mich auch als Mensch gewordene kalte Dusche bezeichnen. Nicht gerade ein Aushängeschild für eine Stripperin. Ich winkte ihm eine kleine Entschuldigung zu und versuchte, zur Wiedergutmachung etwas mehr mit den Hüften zu wackeln.
Hörte denn dieses idiotische Lied nie auf?
Ich betete darum, dass ein Zuschauer sich erbarmen und mich einfach erschießen würde. Ein letztes Mal schwang ich um die Stange und fiel fast zu Boden, als ich ein bekanntes Gesicht im Publikum erblickte.
Diese überkämmte Glatze und die bleiche Haut hätte ich überall wiedererkannt, aber normalerweise sah ich Herrn Direktor Butler, ohne dass ihm eine Stripperin auf dem Schoß herumrutschte. Ich hoffte, seine beschlagene Brille würde mich vielleicht unsichtbar machen, aber als er sie abnahm und mit seiner Krawatte abrieb, zerschlug sich diese Hoffnung. Er machte es nochmal und blinzelte wie eine Eule, dann wurde er blass.
Ich wollte nur noch kotzen.
Herr Butler beförderte die Frau von seinem Schoß auf den Boden und fasste in seine Tasche. Er zog sein Handy heraus und machte ein Foto. Gar nicht gut. Wahrscheinlich wollte er einen Beweis für die Schulverwaltung, bevor er mir kündigte.
Ich suchte Deckung hinter meinem Arm und wich zurück in Richtung Vorhang. Die Musik hämmerte weiter. Ich winkte ein paar Kunden in der vordersten Reihe zu, die meinen frühen Rückzug mit ärgerlich verzogenen Gesichtern quittierten. Vor mir lag meine Beute. Insgesamt zweiundsiebzig Cent auf einem Bett aus Erdnussschalen.
Ein mühsames Publikum.
Die Augen von Schulleiter Butler klebten immer noch an meiner Brust, als ich es endlich bis hinter den schweren Vorhang geschafft hatte. Ein Glück, dass es bis zu den Schulferien nur noch eine Woche war. Vielleicht würde der Sommer ausreichen, Herrn Butler vergessen zu lassen, dass er mich mit Nippelaufklebern und String gesehen hatte, und mich vergessen zu lassen, dass ich bei meinem Vorgesetzten etwas gesehen hatte, das wohl eine winzige Erektion darstellen sollte.
Oder auch nicht.
* * *
Ich habe also kein Talent zur exotischen Tänzerin und werde wieder die Stellenanzeigen in der Zeitung durchsuchen müssen.
Leider würde ich wohl auch nach dem Gespräch anlässlich meines Hinauswurfs aus dem The Foxy Lady nicht mit einer überschwänglichen Empfehlung rechnen können.
»Hör zu, Addison, ich glaube einfach nicht, dass dir diese Art von Arbeit liegt«, sagte Girard Dupres nach meinem ersten und einzigen Auftritt.
Ich fange gar nicht erst an, aufzuzählen, wie oft ich in meinem Leben schon genau diese Worte gehört hatte. Wenn ich nicht so ein positiver Mensch wäre, würde ich in ständiger Depression leben.
Jedenfalls hatte mich Herr Dupres eingestellt und er sah aus, als hätte man ihn bei den Sopranos aussortiert – schütteres dunkles Haar, Knopfaugen, haarige Fingerknöchel und fettige Haut. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, wie man gute Stripperinnen einstellt, sonst hätte er mich nie in Betracht gezogen.
Ich beschloss, anlässlich der Kündigung ein leicht enttäuschtes Gesicht zu machen, aber eigentlich war ich erleichtert, dass ich nicht zur exotischen Tänzerin berufen war. Ich erreichte damit nicht genau die gewünschte Reaktion, denn Herr Dupres meinte, ich könne in einer privaten Show, ganz für ihn allein, meine Technik trainieren. Nun ja, vielleicht lag es auch daran, dass es nicht leicht ist, ein Gespräch zu führen, ohne verzweifelt auszusehen, wenn man oben ohne und schweißbedeckt dasteht.
Ich antwortete Herrn Dupres mit »Vielen Dank, kein Bedarf» und rannte hinter die Bühne, um meine Sachen zu holen und mich anzuziehen. Das Kostüm und die neunschwänzige Katze beschloss ich zu behalten – vielleicht bekam ich ja mal ein dringendes Dominanz-Problem – aber die kratzige Perücke setzte ich wieder auf den Plastikkopf, von dem ich sie mir ausgeliehen hatte.
Ich nahm die blauen Kontaktlinsen heraus, mit denen ich meine dunkelbraunen Augen verdeckt hatte und wischte das starke Augen-Makeup mit Creme ab. Dann band ich mein dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz, zog meine Jeans und ein Baby-Doll-Shirt von Gap an und steckte meine Füße in ein Paar grellrosa Flipflops. Es tat gut, die richtige Addison Holmes wiederzusehen. Ich hatte mich nur ein paar Minuten lang aus den Augen verloren. Das hatte allerdings gereicht, um festzustellen, dass mir an meinem wahren Ich genug lag, um eine andere Möglichkeit zur Beschaffung des notwendigen Zusatzeinkommens zu suchen.
Ich würde diesen kleinen Zwischenfall einfach übergehen, und niemand außer Herrn Butler und mir würde jemals davon erfahren.
Ich drückte die schwere Metalltür auf, die von den Umkleideräumen auf die Straße hinter dem The Foxy Lady führte; vor lauter Sonne und Hitze musste ich die Augen zusammenkneifen. Ich setzte eine Oakley Sonnenbrille auf und hob meine Tasche hoch, um darin nach meinem Autoschlüssel zu kramen.
Wenn ich vor mich geschaut hätte, anstatt in meine Tasche, wäre ich nie über die Leiche gestolpert. Wahrscheinlich hätte ich einen großen Bogen um sie gemacht und mich gefragt, wie jemand an einem Samstagmorgen schon so betrunken sein konnte, dass er auf dem Parkplatz eines Stripclubs zusammenklappt. So aber traf mein Fuß den Mann direkt in die Rippen, und ich fiel der Länge nach auf Hände und Knie.
»Aua, verdammt.«
Ich fluchte vor mich hin, als meine aufgeschrammten Handflächen anfingen zu bluten. Dann erhob ich mich langsam und erfasste die Schäden an meinem schmerzenden Körper. Meine Jeans war an beiden Knien kaputt und die Zehen meines rechten Fußes waren voller Blut.
»Was in aller Welt...«, fragte ich mich, während ich mit den Zehen wackelte, um das Schadensausmaß festzustellen. Ich sah keine Schnittwunden, also drehte ich mich um und schaute nach, worüber ich gestolpert war.
Die Leiche lag ausgestreckt im Gang zwischen den Autos. Sie war irgendwie komisch verbogen, aber welches Gemetzel soviel Blut hatte fließen lassen, konnte ich im Schatten zum Glück nicht erkennen. Zumindest wusste ich jetzt, wo das Blut auf meinen Zehen herkam. Ich konnte mir nicht vormachen, er sei betrunken, denn ein dunkler Fleck machte sich - wie die Zielscheibe aus der Target-Werbung - auf seinem Hemd breit. Auch würde ich meinen heutigen Ausflug in die exotischen Künste wohl kaum geheim halten können, wenn ich die Polizei rief, um zu berichten, dass ich meinen Schulleiter gerade tot auf dem Parkplatz gefunden hatte.
Kapitel 2
Nachdem ich gute zehn Minuten lang trocken gewürgt hatte, dämmerte es mir im Nachhinein, dass Herr Butler offensichtlich von jemandem ins Jenseits befördert worden war, der größer und niederträchtiger war als er selbst. Und ich war hier, allein auf einem Parkplatz in einem eher zwielichtigen Teil der Stadt, meine Handtasche auf dem Boden und ich selbst über einen sterbenden Rhododendron gekrümmt. Ich bettelte praktisch darum, ermordet zu werden.
»Vielleicht sollte ich die Polizei vom Lokal aus anrufen«, sagte ich laut, als ich mich auf den leeren Parkplatz vorwagte.
Ich suchte nervös nach Anzeichen messerschwenkender Irrer, die hinter geparkten Autos lauerten, und rannte zur Vordertür des The Foxy Lady; dabei hielt ich die Hand in der Tasche, damit die Irren denken könnten, ich hielte etwas Gefährliches wie Tränengas oder eine 9-mm-Pistole bereit. Ich besaß weder das eine noch das andere, aber nach diesem Erlebnis würde ich mich ernsthaft mit der Beschaffung dieser Dinge auseinandersetzen.
»Tut mir leid, Kleines. Du musst volljährig sein, um hier reinzukommen«, sagte der Türsteher am Eingang.
Ich schob meine Sonnenbrille bis auf die Nasenspitze vor und schaute mir den Schrank aus schwarzem Granit an. Auf dem Namensschild stand Larry, aber Gigantor hätte besser gepasst, bei einem Kopf wie eine Bowling-Kugel und einem Bizeps, mit dem er in einem Monstertruckrennen Sattelauflieger ziehen könnte.
Bei jeder anderen Gelegenheit hätte ich mich geschmeichelt gefühlt, auf unter achtzehn geschätzt zu werden. Aber nicht jetzt. Jetzt sammelte sich mein Schweiß in uneleganten Falten und mein Magen rebellierte, so als hätte ich gerade eine Fahrt auf der Walzerbahn hinter mir. Wieso hatte ich überhaupt in dieses Höllenloch hine
ingehen wollen?
»Ich muss da rein«, sagte ich und versuchte, mich an diesem Berg vorbei zu schieben. »Ich muss telefonieren.«
Er baute sich vor mir auf und ich rammte ihm mehrmals die Schulter in die Rippen, um ihn wegzuschieben, aber er rührte sich nicht vom Fleck, und meine Schulter tat weh.
»Auf der anderen Straßenseite ist eine Telefonzelle«, sagte er. Sein Gesicht war ausdruckslos, und er war es offensichtlich gewohnt, zudringliche Frauen loszuwerden, die die faszinierende Aufstellung exotischer Tänzerinnen mittleren Alters im The Foxy Lady begutachten wollten.
»Hör mal. Vor nicht mal dreißig Minuten hab ich genau auf dieser Bühne getanzt. Zum Beweis hab ich noch die Nippelaufkleber. Aber jetzt muss ich da noch mal rein, um die Polizei zu rufen.«
»Was du nicht sagst, Schatzi. Ist mir egal, auch wenn du hier die Samstagabend-Hauptnummer wärst. Von hier aus ruft keiner die Polizei. Wenn Herr Dupres nach deinem Auftritt ein bisschen munter geworden ist, dann machen wir das unter uns aus, aber wir holen keine Polizei. Vielleicht können wir die Einzelheiten ja beim Abendessen besprechen.«
Gigantor lächelte und ließ zwei Goldzähne in der Sonne blitzen. Ich hatte ein Nahtod-Erlebnis, als er mir mit einem fleischigen Finger die Wange entlang fuhr.
Mir blieb keine Wahl. Ich tat, was jedes Mädchen tun würde, wenn sie es mit einem toten Vorgesetzten und einem geilen Türsteher aufnehmen musste. Ein Stoß mit dem Knie in die Eier und er kippte um wie ein gefällter Mammutbaum. Sein Kopf traf mit einem dumpfen Knall den Boden, während ich zum Tresen rannte.