Whiskey Lullaby Page 11
»Vergiss nicht die Offiziersgala morgen Abend. Mike und ich können dich abholen, wenn du willst.« Als drittes Rad am Wagen mit Kate und Mike – noch mauerblümchenhafter ging es wohl nicht. Also tat ich, was jedes vernünftige Mädchen getan hätte. Ich log. »Ihr braucht mich nicht abzuholen. Ich bin schon verabredet.« Ich zuckte bei den Worten zusammen, aber sie waren mir irgendwie rausgerutscht. »Super. Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen«, sagte sie mit einem boshaften Grinsen. Ich lag erstarrt auf der Couch und versuchte, einen Ausweg aus der Klemme zu finden, in die ich mich gerade gebracht hatte.
»Das war eine faustdicke Lüge», sagte Nick.
»Seien Sie still. Mir wird schon was einfallen. Wenn ich ihr nicht gesagt hätte, ich sei verabredet, dann hätte sie mich wieder mit irgendeinem Fremden verkuppelt.« »Sie hat sie gern und möchte nur Ihr Bestes.«
»Das ist ungefähr das Schlimmste, was Sie über jemanden sagen können. Ich kann problemlos überall ohne einen Mann am Arm erscheinen.« Das war übrigens gelogen. Männliche Begleitung war bei großen Veranstaltungen für mich wie ein Schutz, ohne sie hatte ich das Gefühl, ich müsste einen Raum voller Leute nackt betreten.
»Warum gehen Sie überhaupt zur Offiziersgala?«, fragte Nick.
»Ich gehe seit meinem sechzehnten Lebensjahr jedes Jahr hin. Mein Vater war Polizist und die Gala bringt immer viel Geld. Dieses Jahr wird meine Mutter zum ersten Mal nicht hingehen.« »Ist Ihr Vater im Dienst umgekommen?«, fragte Nick leise und strich mir tröstend über die Haare.
»Nein, er war schon ein paar Jahre im Ruhestand. Er hat bei einem Spiel der Falcons letzten Herbst vor dem Fernseher einen Herzinfarkt bekommen.« »Verständlich, so wie die in der letzten Saison gespielt haben. Es tut mir leid, dass Sie ihn verloren haben.« »Mir auch. Er war ein guter Mann. Ein guter Polizist. Und deswegen gehe ich zur Gala und unterstütze euch alle.« »Nun, da wir uns in diesem Punkt einig sind, wäre es ja nur sinnvoll, zusammen hinzugehen. Ich komme Sie um halb acht abholen. Haben Sie eigentlich irgendwas zu essen hier?«, fragte er, schob mich brummend von seinem Schoß und ging Richtung Küche.
»Entschuldigung. Wer sind Sie eigentlich? Sie sind hier einfach so eingedrungen und jetzt werde ich Sie nicht mehr los. Sie sagen nun schon zum dritten Mal, wir müssten zusammen arbeiten und ich muss sagen, ich kann mich nicht erinnern, dem jemals zugestimmt zu haben. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob Sie mir überhaupt sympathisch sind.« Er zwinkerte nur und wandte sich wieder dem Inhalt meines Kühlschranks zu. »Sie können nicht bleiben«, sagte ich laut. »Ich bin nicht in Stimmung für Gesellschaft.« Ich stieß einen schmerzhaften Seufzer aus und erhob mich langsam von der Couch. Er konnte mich in meiner eigenen Wohnung nicht einfach ignorieren. »Hey, Sie hätten nicht aufstehen müssen«, sagte er, als ich mich gegen den Tresen in der Küche lehnte und versuchte, einschüchternd auszusehen.
»Oh, ich denke schon. Sie sind hinterlistig, aber ich habe Sie durchschaut.« »Ach ja?« sagte er, wieder mit seinem atemberaubenden Lächeln.
»Allerdings. Sie haben zu viele Gesichter gezeigt, seit wir uns begegnet sind, vom ernsthaften Polizisten zum Oberarschloch bis hin zum Pfadfinder von nebenan. Da frage ich mich, welcher der echte Nick Dempsey ist. Das Erste, was jeder sagt, wenn Ihr Name fällt, ist, Sie seien ein guter Polizist. Weiter reichen die Komplimente nicht.« Er beobachtete mich mit undurchschaubarem Gesichtsausdruck, die Mundwinkel unbeweglich, und wartete, was noch kam.
»Sie brauchen mich für irgend etwas«, sagte ich sachlich. »Sonst würden Sie sich nicht mit mir abgeben.« Er kam näher, wie ein Jäger zur Beute und zum ersten Mal sah ich die Gefahr, die hinter der vordergründigen Ruhe lauerte. Mein Atem stockte, als er sich herüberlehnte und mit seinem Gesicht nah an meins heran kam. Die dunkle Seite turnte mich ungeheuer an. Wer hätte das gedacht? »Sie haben recht, « flüsterte er. »Ich brauche Sie für etwas.« Ich fühlte die Härte seines Körpers, den er an mich presste, und die von ihm ausgehende Hitze und mir wurde bewusst, dass ich den Atem angehalten hatte. Ich stand immer noch angetörnt und verwirrt da, als er zurückwich und seine Windjacke ergriff.
»Das haben Sie extra gemacht«, sagte ich. »Sagen Sie mir, was Sie wollen und dann gehen Sie. Ich habe keine Zeit für Spielchen mit Ihnen und, was wichtiger ist, ich will keine Spielchen mit Ihnen spielen.« »Was sind Sie doch für eine Lügnerin«, sagte Nick und schenkte mir dieses Wahnsinnslächeln. »Ihr Kühlschrank ist leerer als meiner. Ich frage mich, wie das möglich ist.« Er schien für einen Moment verblüfft zu sein, war aber kurz darauf wieder ganz der Sachliche. »Was ich von Ihnen will, hat mit Arbeit zu tun, aber wir können ein anderes Mal darüber reden, wenn Sie nicht so ... verletzt sind. Ich muss hier raus. Vergessen Sie nicht die Offiziersgala morgen. Ziehen Sie sich sexy an. Vielleicht ohne Unterwäsche.« Meiner Mutter würde Nick Dempsey sicher nicht gefallen. »Ach, und, Addison«, sagte Nick und drückte mich wieder mit seinem Körper gegen den Tresen. »Vielleicht war ich eben nicht ganz ehrlich. Ich will noch etwas anderes von Ihnen.« Und dann küsste er mich. Kein Küsschen nur so. Das hier war ernst, mit Zunge und allem drum und dran. Ich weiß noch, wie ich dachte, ich sollte ein bisschen protestieren, damit er mich nicht für ein Flittchen hielt, aber dann waren alle Gedanken wie weggeblasen, meine Arme schlangen sich um ihn und ich erwiderte seinen Kuss. Mein Kopf begann zu schwirren und die Hitze schoss in alle meine Lieblingsstellen.
Zum Glück hatte sich Nick mehr unter Kontrolle als ich mich und er wich zurück, bevor ich um mehr betteln konnte. Er gab mir ein kleines Küsschen auf die Wange und war schon draußen. Zwei Dinge hatte ich aus der Erfahrung gelernt. Erstens: Ich hatte noch nie guten Sex gehabt. Zweitens: Ich wollte welchen. Wirklich.
Ich war müde, gereizt, hatte Schmerzen und war total angetörnt, daher folgte ich Kates Rat und nahm ein Vicodin, in der Hoffnung, es würde mich aus meinem Elend befreien.
Kapitel 8
Freitag
* * *
Letzter Schultag.
Gott sei Dank.
Und noch besser, es war nur ein halber Unterrichtstag, damit die Schüler der letzten Klassen sich auf die Abschlussfeier vorbereiten konnten.
Es war die zweite Juniwoche und der Sommer lag über ganz Georgia wie eine nasse Decke, die alles erdrückte. Das Wetter war unberechenbar, auf schwere Stürme folgten Hitzewellen, die die Bürger reizbar machten und bei denen alte Menschen an Hitzschlag starben. Noch schlimmer als Georgia im Juni war nur Georgia im Juli und August.
Als Teenager saß ich immer an meinem überfüllten Schulschreibtisch – unter dem irgendwie immer ein Kaugummi klebte und an meine Knie geriet – und wartete ungeduldig auf die Schulglocke am Ende des Tages.
Sobald das herrliche Klingeln ertönte, griff ich dann nach meinem Rucksack und rannte zur Tür. Ich lief direkt an meinen Arbeitsplatz im Drogeriemarkt, wo ich jede Menge Kondome und Grußkarten verkaufte und mir ganz doll wünschte, ich könnte mich mit dem Abitur beeilen und endlich am richtigen Leben teilhaben.
Irgendwie landete ich dann nach vier Jahren College wieder genau dort, wo ich gestartet war, saß an einem etwas größeren Schreibtisch und brauchte das Klingeln der Schulglocke dringender als ein zitternder Alkoholiker, dem der Schnapsvorrat ausgegangen war.
Als die Glocke um halb eins ertönte, schnappte ich meine Sachen und rannte in den Flur; ich brauchte nur fünf Sekunden, um meinen Klassenraum abzuschließen. Ich drehte mich um und prallte voll gegen Rose Marie Valentine.
»Hooopla«, sagte sie.
Und landete in Zeitlupe auf ihrem gut gepolsterten Hinterteil. Kein schöner Anblick.
»Um Himmels Willen. Alles in Ordnung?«, fragte ich und ging neben ihr in die Hocke, so schnell es mein wehes Knie erlaubte. Ein zufälliger Zeuge hätte uns wohl für eine Varieté-Einlage gehalten. Ich sammelte ihre Unterlagen und ihre Handtasche auf und versuchte, sie am Ellenbogen hoch zu wuchten, aber Rose Marie war ein Koloss von Frau. Man brauchte zwei Hände und ich hatte nur eine frei, also ließ ich ihre Sachen wieder fallen und ging mit mehr Kraft an die Sache heran.
»Alles okay. Alles okay«, sagte sie; die Brille hing ihr schief auf de
r Nase und sie schnaufte, als hätte sie gerade den Marathonlauf von Boston hinter sich. »Du lieber Himmel, was hast du es eilig. Man könnte meinen, es sei der letzte Schultag oder sowas.« Sie kicherte über ihren eigenen Witz und rückte die Brille gerade. »Wo willst du denn hin?« »Ins Einkaufszentrum. Ich gehe heute mit Freunden zur Offiziersgala und brauche ein neues Kleid.« »Oh, wirklich?«, sagte Rose Marie und bekam leuchtende Augen. »Das klingt ja spannend. Du hast so ein aufregendes Leben. Ich gehe einfach jeden Tag heim zu meinen Kleinen und löse jede Menge Kreuzworträtsel. Und dann kommt natürlich Zeit der Sehnsucht. Das ist für mich wie eine zweite Familie.« Ich hatte Rose Maries Kleine gesehen. Sie hatte sie eingerahmt über ihren ganzen Schreibtisch verteilt. Sie hatte zwei dänische Doggen, die so groß waren wie kleine Pferde und jede hatte ihr eigenes Zimmer in ihrer kleinen Maisonettewohnung.
»Ich wünschte, mein Leben wäre so spannend wie deins. Ich kann mich nicht mal erinnern, wann ich das letzte Mal im Einkaufszentrum war.« Rose Maries Blick wurde ganz verschleiert und deprimiert und ich fühlte mich so niederträchtig wie jemand, der gerade ein Hundejunges mit einem spitzen Schuh getreten hatte. Noch dazu, wo ich sie gerade umgerannt hatte. Bevor ich mich bremsen konnte, waren mir die Worte herausgerutscht. »Warum kommst du nicht einfach mit? Du kannst mir beim Aussuchen helfen. Aber wir müssen uns beeilen, denn ich habe genau sieben Stunden, um mich ausgehfertig zu machen.« Mann, war ich blöd. Ihr Gesicht strahlte, rosa und rund wie Frau Weihnachtsmann.
»Super, das hört sich gut an. Und wenn wir Zeit haben, können wir ja in dem Restaurant dort zu Mittag essen, wo jeder Raum einen anderen Erdteil darstellt. Ich mag den Australien-Raum, weil die Kellner halbnackt und schön eingeölt sind.« Ich mochte das Restaurant aus demselben Grund, also nickte ich zustimmend. »Ok, aber wenn sie uns in die Antarktis stecken wollen, protestiere ich. Ich frage mich, was an einem käsigen Weißen im Parka sexy sein soll.« »Da sind wir uns einig.« Rose Marie kippte vor Aufregung förmlich aus ihren Kunstlederlatschen. »Und wir könnten vielleicht ein paar dieser Drinks mit bunten Schirmchen und Früchten bestellen. Wir machen uns einen richtig schönen Tag.« »Hm, hm.«
Irgendwann würde ich sicher lernen, meinen Mund zu halten.
* * *
»Was hältst du von dem hier?«, fragte ich, als ich mit dem zweiundzwanzigsten anprobierten Kleid aus der Garderobe kam. Rose Marie war eine unerschöpfliche Modeberaterin, eigentlich seltsam, denn jedes Mal, wenn ich sie sah, sah sie aus wie ein Kloß, den man in die Tischdecke gewickelt hatte.
»Oh ja, das passt.«
Das dachte ich eigentlich auch selbst und stellte mir schon vor, welche Art von Schuhen ich passend zu diesem trägerlosen roten Etuikleid kaufen könnte. Es ging bis unters Knie und deckte so auch die Schwellungen und Prellungen ab. Das glänzende Rot brachte meinen goldenen Teint zur Geltung und ich wusste, es war genau das Richtige, um Nick gefügig zu machen.
»Ein solches Kleid könnte natürlich deinen Partner auf falsche Gedanken bringen«, sagte Rose Marie mit einem leichten Stirnrunzeln. »Ich weiß nicht, ob du dich so zur Schau stellen solltest.« Mir war es mittlerweile egal, was ich zur Schau stellte. Die Füße taten mir weh, mein extra starkes Tylenol verlor langsam die Wirkung und ich hätte Rose Marie fast ins Gesicht gesagt, wohin sie sich ihre Modemeinung stecken konnte. »Ich kaufe dieses Kleid«, sagte ich trotzig.
Rose Marie zwinkerte mich eulenhaft an. »Es ist ein schönes Kleid. Natürlich wird es mit Spanx besser aussehen. Dann stören die Pölsterchen nicht so.« »Willst du damit sagen, ich hätte Pölsterchen?«, fragte ich mit einer Stimme, die dem Knurren eines Schrottplatzhundes nicht unähnlich war.
»Nein, nein«, sagte sie und schluckte nervös. »Auch Filmstars tragen das. Hab ich in einer Zeitschrift gelesen. Das macht dich einfach schlanker. Obwohl es hinderlich sein kann, wenn du zur Sache kommen willst.« Sie schürzte die Lippen und sah nachdenklich aus. »Es ist ja nicht so sexy, wenn du aussiehst, als würde dein Körper aus einer Wurstpelle rausgequetscht.« Je länger sie redete, umso größer wurden meine Augen und ich merkte, dass ich schon viel zu lange kein Date mehr gehabt hatte. Greg und ich waren zwei Jahre zusammen gewesen und ich hatte mich daran gewöhnt, mich nicht so anstrengen zu müssen. »Heilige Mutter Gottes«, sagte ich, als ich mir vorstellte, Nick würde sich an einem Hüfthalter ein Auge ausstechen.
»Natürlich brauchst du dir darüber keine Gedanken zu machen, wenn du nicht so leicht nachgibst.« »Stimmt.« Ich nickte zustimmend und versuchte, weniger verzweifelt dreinzuschauen. »Gehen wir Spanx kaufen. Das ist wie ein moderner Keuschheitsgürtel.« Rose Marie hievte sich von der Sitzbank, als ich wieder zur Garderobe ging. »Du kannst ja für alle Fälle die Sorte ohne Zwickel kaufen.« Mein Auge zuckte kurz, bevor ich mich in der Kabine einschloss. Ich brauchte wirklich eine Margarita.
* * *
Nachdem ich zwei Stunden mit Rose Marie verbracht hatte, dämmerte mir, warum sie die meiste Zeit mit ihren Hunden verbrachte. Jemandem, der in Gesellschaft so unbedarft war wie sie, war ich noch nie begegnet. Und ich hatte einiges erlebt. Gegen Rose Marie war ich die reinste Diplomatin.
Ich schleppte sie durch das Einkaufszentrum auf der Suche nach den passenden Vamp-Schuhen für das Vamp-Kleid, für das ich gerade ein Vermögen ausgegeben hatte. Aber schlappe zweihundert Dollar waren in meiner Vorstellung nicht so schrecklich viel, verglichen mit den fünftausend, auf die ich sparte. Wenn man unbedingt sexy Schuhe braucht, geht die Logik ihre eigenen Wege.
Die perfekten Riemchenschuhe mit zehn Zentimeter Absatz fand ich für etwas weniger als das Kleid gekostet hatte, und während ich so an der Kasse stand, konnte ich die Kosten irgendwie rational rechtfertigen. Allerdings ist mir der Gedankengang inzwischen entfallen.
Rose Marie neben mir hüpfte glücklich auf und ab, als ich meine Kreditkarte übergab. Sie erlebte offensichtlich gerade einen stellvertretenden Kaufrausch. Ich würde wohl auf die Margarita verzichten und gleich den Hot Fudge-Eisbecher nehmen. Ich brauchte nicht einmal ein schlechtes Gewissen zu haben, denn die Miederwaren würden die Kalorien der Schokosauce gleich wieder aufsaugen.
»Verzeihung«, sagte eine belegte Stimme mit heiserem Südstaatenakzent hinter mir.
Ich muss zugeben, ich hatte ein bisschen Angst, mich umzudrehen. Mir fehlte jetzt nur noch ein Faustschlag ins Gesicht von einer zornigen Ehefrau, die ich beim Fremdgehen ertappt hatte. Ein gebrochenes Nasenbein hätte absolut nicht zu meinem neuen Kleid gepasst.
Ich drehte mich um und schaute in ein Paar große blaue Augen. Fanny Kimble war schon immer eine Schönheit gewesen, aber ich trat trotzdem einen Schritt zurück. Man wusste ja nie, wozu eine Frau fähig war, deren Mann des Fremdgehens verdächtigt wurde. Auch wenn ich mit meinem roten Kleid, perfekter Frisur und Schminke ausstaffiert wäre, könnte ich Fanny nicht das Wasser reichen. Neben Fanny würde selbst Loretta Swanson aussehen, als käme sie von der Altkleidersammlung. Fanny Kimble anzustarren kam einer religiösen Erleuchtung nahe, wie ich sie schon lange nicht mehr gehabt hatte.
Hinter mir räusperte sich jemand und ich merkte, dass ich die Schlange aufhielt, also nahm ich meine neuen Schuhe und ging mit Fanny aus dem Laden. Rose Marie trottete hinter uns her wie ein verlorenes Hündchen.
»Tut mir leid, dass ich Sie so überfalle«, sagte Fanny. »Aber traute mich nicht richtig, Sie anzusprechen und das erschien mir als die beste Gelegenheit.« Ihr Haar glänzte wie schwarzer Diamant unter den Strahlern des Einkaufszentrums und ich konnte nicht umhin, zu bemerken, wie glatt ihr Lippenstift war. Keine Falten oder Hautschüppchen waren zu sehen, ihre Augenbrauen waren perfekt gebogen und geglättet. Sie war 1,80 m groß und ich musste zu ihren himmelblauen Augen aufschauen.
»Wenn es um die Ermittlung geht, dann sollten Sie wohl besser mit Kate sprechen. Sie ist der Chef.« »Ich weiß, das werde ich auch tun, aber ich wollte Ihnen nur persönlich sagen, dass Sie mit dem Beschatten von John aufhören können. Ich war wohl einfach nervös wegen der Hochzeit und habe überreagiert. Er hat mir garantiert, dass es nur mich für ihn gibt und dass er mich liebt. Zwei Menschen, die heiraten wollen, müssen sich bedingungslos vertrauen, mei
nen Sie nicht auch?« Ich nickte, war aber ziemlich sicher, dass ich dafür nicht die beste Ansprechpartnerin war. Ich hatte meinem Ex-Verlobten bedingungslos vertraut und war damit nicht weit gekommen.
»Danke, Addison. Ich wusste, Sie würden das verstehen. Es ist wohl am Besten für uns alle, wenn Sie das Ganze einfach vergessen. Ich werde der Agentur Ihre Arbeitszeit vergüten.« Sie ging in die andere Richtung und jeder Mann in der Nähe unterbrach, was er gerade tat, und sah ihr nach.
»Warum guckst du so?«, fragte Rose Marie.
»Weil John Hyatt Abschaum ist. Ich verwette meinen Z, er hat ihr so ein schlechtes Gewissen eingeredet, dass sie jetzt meint, sie sei im Unrecht. Dieses ganze Gerede von bedingungslosem Vertrauen. Das heißt nur, dass er einiges zu verbergen hat. Und bis mir Kate direkte Anweisung gibt, nicht mehr an dem Fall zu arbeiten, behalte ich John Hyatt auf dem Schirm.«