Whiskey Lullaby Read online

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* * *

  Die Depression und das schlechte Gewissen wegen meiner Finanzen setzten erst ein, als ich im Australien-Raum des Restaurants die zweite Margarita leerte. Die Wände sollten schroffe Felsen im Busch darstellen und dürre Sträucher sprossen daraus hervor. Bei jedem Schluck Margarita starrte mich eine große zusammengerollte Schlange hinter Rose Maries Kopf aus Glasaugen abschätzig an.

  Unseren Kellner hatte ich ausgiebig beäugt – er trug nichts als tiefhängende Cargo-Shorts, ein Jagdmesser am Gürtel und einen schiefsitzenden Hut. Auf seiner Brust wölbten sich die Muskeln und er war am ganzen Körper braungebrannt. Das Beäugen wäre viel aufregender gewesen, wenn ich ihn nicht vor fast zehn Jahren in der ersten High-School-Klasse gehabt hätte.

  »Wow, es ich echt Wahnsinn«, sagte Rose Marie und schaute sich mit großen Augen um. »Du hast so ein aufregendes Leben, kaufst sexy Klamotten und gehst auf Bälle. Wie eine Märchenprinzessin.« »Ganz genau.«

  »Ich möchte so sein wie du. Vielleicht könnten wir das ja bald wieder machen.« Ihr Blick war so voller Hoffnung, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihr zu sagen, das mich keine zehn Pferde dazu brächten, wieder mit ihr irgendwo hin zu gehen. Also log ich. Schon wieder. Ich war eigentlich eine fromme Methodistin, aber für die Lügerei in letzter Zeit würde ich sicher irgendwie büßen müssen. Andererseits machte Übung tatsächlich perfekt. Ich war drauf und dran, die dritte Margarita zu bestellen, als ich von unserem Fensterplatz aus in das volle Einkaufszentrum blickte und ein bekanntes Gesicht sah.

  »Oh Gott«, sagte ich. Ich öffnete meine Schultertasche und sah die neuen Akten durch, die Kate dagelassen hatte. »Ich werd‘ verrückt.« Eddie Pogue wohnte in Whiskey Bayou und war ein Nichtsnutz. Er war ein paar Jahre älter als ich und hatte eine viel jüngere Frau geheiratet, wohl weil er eine Jüngere leichter kontrollieren konnte. Vor neun Monaten hatte er einen Autounfall gehabt. In der Akte stand, Eddie verklagte die Versicherung, weil sie die Zahlungen für Arbeitsunfähigkeit verweigerte, die er infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen und des psychischen Traumas verlangte. Ich sollte nun den Beweis erbringen, dass er gar nicht arbeitsunfähig war.

  »Was ist denn?«, fragte Rose Marie aufgeregt. »Ich habe neulich auf der Post gehört, dass du jetzt richtig als Privatdetektivin arbeitest. Ist das ein Einsatz? Sollten wir in Deckung gehen?« Ich schaute auf Rose Maries lindgrüne Bluse mit den aufgedruckten Flamingos und den passenden Stufenrock und seufzte. Rose Marie war das Kreuz, das ich zu tragen hatte. Ich öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass wir nichts tun konnten, da Eddie wahrscheinlich nicht so dumm war, seine Maske in aller Öffentlichkeit fallen zu lassen. Ich musste ihn wohl bei sich zu Hause ertappen, wenn er den Rasen mähte, oder seine Frau verprügelte.

  »Weißt du, wer das ist?«, fragte ich Rose Marie und zeigte auf Eddie.

  Rose Marie war wie ich in Whiskey Bayou aufgewachsen, nur hatte sie ein paar Jahre vor mir Abitur gemacht.

  »Klar, das ist Eddie Pogue. Warum benutzt er denn ein Laufgestell?« »Autounfall. Wie gut kennst du ihn denn?«

  »Wir haben zusammen Abitur gemacht«, sagte sie und schob sich einen Tortilla-Chip in den Mund. »Er ist ein gemeines Arschloch. Er war immer zu eingebildet für meine Kreise in der Schule. Er war der bullige Sportler und ich die Vorsitzende des Gesangvereins.« Rose Marie sagte das sachlich, ohne Groll, also fiel mir nichts weiter daran auf. Die Welt bestand aus zwei Kategorien – die Sportler und alle anderen. Rose Marie und ich gehörten der Kategorie ,Alle Anderen‘ an.

  »Er spielte all denen von uns gerne Streiche, die das Pech hatten, nicht er zu sein. Er hielt das immer für lustig, aber eigentlich war er nur grausam. Vor zwei Jahren hat er die Warwick geschwängert und dann geheiratet. Alle wissen, dass er sie ständig prügelt.« Ich schaute nochmals auf Rose Maries Flamingos und zuckte zusammen. »Komm«, sagte ich, ergriff meine Tasche und warf das Geld für unsere beiden Essen auf den Tisch. »Ich muss sehen, was er vorhat.« Rose Marie hastete hinter mir her, ich wartete nur darauf, dass sie sich hinter den Säulen versteckte und die Finger zur Pistole formte. Ich winkte der Kassiererin zu, die schon ganz komisch guckte und behielt Eddie Pogue im Auge. Er ging zügig in Richtung Starbucks, sein Laufgestell benutzte er als Rammbock, um sich durch die Menge und in die Schlange zu kämpfen.

  Perfekt. Ich konnte mir als Gegenmittel gegen die Margaritas einen Mocha Latte holen und gleichzeitig mit meinem Handy ein paar Fotos machen. Eddie trug an Hals und Knie Stützbänder, passend zum Laufgestell.

  Ich atmete den Kaffeeduft ein, als wir Starbucks betraten und uns hinter Eddie und noch ein paar Leuten in die Schlange stellten; als er einen dünnen Mocha Latte ohne Sahne bestellte, versuchte ich, mir ein Bild zu machen. Das Getränk passte nicht zu den Baggy-Gangsta-Shorts und dem Trägerhemd, insbesondere, da er vom Hals aufwärts den Proletarierlook pflegte.

  Eddie nahm seinen Latte, setzte sich allein an einen Tisch mit Blick auf den Parkplatz und schaffte es, mitleiderregend auszusehen, während er seinen Kaffee trank und wir auf unseren warteten.

  Als wir unsere Becher hatten, führte ich Rose Marie an einen Ecktisch, von dem aus ich Eddie direkt im Blickfeld hatte. Rose Marie war vor Aufregung rot angelaufen und hatte ihren Taschenspiegel gezückt, um zu sehen, was hinter ihr ablief. Ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass Eddie uns garantiert nicht übersehen haben konnte.

  Eddie humpelte übertrieben, als er seinen Becher in den Müll warf und zu unserem Tisch kam.

  »Hallo Addison. Grüß deine Mutter von mir.« Er ignorierte Rose Marie völlig und ging davon.

  Verdammte Kleinstadt.

  Eddie Pogue zu schnappen, würde schwierig werden. Allerdings hatte mich jeder Fall, den ich bisher hatte, entweder zum Krüppel oder völlig konfus gemacht, also war ein einfach nur »schwieriger« Fall so etwas wie ein frischer Luftzug.

  * * *

  Im zweitletzten Schuljahr an der High School hatte mich der Quarterback des Uni-Footballteams eingeladen, mit ihm zum Schulball zu gehen. Als naive Musterschülerin dachte ich natürlich, er hätte endlich gemerkt, dass mit intelligenten Mädchen auch etwas anzufangen ist, und fühlte mich ganz als Vertreterin der Übersehenen und Unterschätzten von der James Madison High School. Bei der Vorbereitung auf das große Ereignis meinte ich, nur gebräunte Haut würde mein tolles weißes Kleid so richtig zur Geltung bringen. Ohne jede Sonnenbankerfahrung wusste ich jedoch nicht, wie wichtig eine Schutzbrille ist, wenn der Körper unter UV-Strahlen brutzelt. Da ich keine weißen Augenlider in einem gebräunten Gesicht wollte, trug ich keine Brille und holte mir einen Sonnenbrand auf den Augenlidern und eine Hornhautschädigung, und abgesehen davon war der Rest meines armen Körpers verbrutzelt wie Schweineschwarte. Bis fast zwei Tage danach konnte ich nichts sehen. Das machte dem Quarterback Clint einen enormen Strich durch die Rechnung, hatte er doch die Übersehene und Unterschätzte vernaschen wollen. Als Rache dafür, dass ich ihm seine Orgie vermasselt hatte, ließ er mich gegen jede Tür und jeden Tisch rennen, an denen wir vorbeikamen. Als ich schließlich merkte, was er tat, setzte ich mich hin und hörte der Musik zu; durch meine geschwollenen Augen konnte ich noch nicht einmal das Licht sehen; dann rief ich meinen Vater an und ließ mich abholen.

  Jedesmal, wenn ich Nick Dempsey ansah, fühlte sich ein Teil von mir wie damals mit sechzehn, innen verbrannt und mit Scheuklappen, aber ich öffnete ihm trotzdem die Tür.

  »Wow.«

  Eigentlich war mein großer Wortschatz eine meiner Stärken, aber als ich aufmachte und ihn im Smoking vor mir sah, kam nur noch »Wow«.

  »Wow, selber. Nettes Kleid«, sagte er, kam rein und machte es sich gemütlich, während ich mich mit offenem Mund auf den Türgriff stützte. »Wenn Sie mich weiter so anschauen, dann bleiben wir noch hier und tun etwas, das wir wahrscheinlich morgen früh beim Aufwachen als Fehler betrachten würden.« »Tut mir leid«, murmelte ich.

  Irgendwie schien die Drohung gar nicht so furchterregend. Der Mann sah aus, als käme er vom GQ-Titelbild. Sein fast schwarzes Haar war nach hinten gekämmt, nur ein paar widerspenstige Strähnen fielen ihm in die Stirn. Der dunkle Baartwuchs im Gesicht war fri
sch rasiert, und er schien im Smoking geboren zu sein, obwohl er mir mit abgetragenen Jeans und T-Shirts fast besser gefiel. Er kam entschlossen auf mich zu—ich hatte ihn wohl zu lange angestarrt—und ich sah deutlich die hinterlistige Absicht in seinem Blick.

  »Gehen wir«, stieß ich hervor, bevor er mir zu nahe kommen konnte. Ich griff nach meiner Handtasche und rannte zur Tür, wobei ich sein zufriedenes Lachen überhörte. Zum Glück hatte ich an meine Spanx Formwäsche gedacht.

  * * *

  Die Offiziersgala war in Savannah seit fast 100 Jahren Tradition. Anfangs ging es darum, unsere Männer und Frauen in Uniform zu unterstützen und die Besten der Besten anzuerkennen. In letzter Zeit war es mehr zu einem Anlass für politische Kontaktpflege geworden, aber ich bin trotzdem immer gerne hingegangen. Jetzt, wo mein Vater nicht mehr da war, ging ich hin, um meine Freunde zu unterstützen, denn aus irgendeinem Grund war ich gern mit Leuten zusammen, die Pistolen trugen. Ich saß also auf dem Beifahrersitz in Nicks schwarzem Pickup, als er dem Parkwächter seinen Autoschlüssel gab und dann kam und mir die Tür aufhielt. Nervös verdrehte ich meine Finger und pickte unsichtbare Fusseln von meinem Kleid. Der heutige Abend war wie gemacht für eine Katastrophe, und bei meiner Glückssträhne würde mir jede Katastrophe mühelos in den Schoß fallen. Nick hielt mir die Hand hin, ich hielt mich daran fest und stellte meine roten Pfennigabsätze auf den Boden. »Du siehst schön aus«, sagte er und küsste mir die Hand, wobei er mir mit einem weichen verführerischen Blick in die Augen sah.

  Mein Herz schmolz ein bisschen, als seine Lippen meine Haut berührten, und meine Nerven beruhigten sich. »Danke.«

  Ich muss sagen, zusammen sahen wir fantastisch aus, und ich stand stolz neben ihm, als immer mehr Blicke in unsere Richtung gingen. Ich unterdrückte jedes Gefühl der Eifersucht auf die Frauen, die Nick mit hungrigen Blicken ansahen. Schließlich verbrachte er den Abend mit mir.

  Ich entdeckte Kate und Mike sofort und ging auf sie zu. Mike war ein riesiger Teddybär mit dunkelrotem Haar, nicht zu übersehen in einer Menschenmenge. Seine irischen Wurzeln ließen seine Wangen immer rot anlaufen, sobald er irgendetwas Alkoholisches trank; im Smoking wirkte er völlig deplaziert.

  Neben dem großen Mike wirkte Kate wie ein Püppchen. Sie hatte es geschafft, ihre hässlichen Hosenanzüge zu Hause zu lassen und ein kleines Schwarzes angezogen. Sie hatte sich sogar die Mühe gemacht, sich zu schminken und Schmuck anzulegen. »Da bist du ja«, sagte Kate. »Ich habe mich schon gefragt, ob du dich wohl traust, hier aufzutauchen; ich weiß ja, dass das mit dem Begleiter gelogen war.« »Ich hab nicht gelogen. Ich bin mit Nick gekommen.« Eher hätte ich mir die Zunge abgebissen, als Kate zu erzählen, dass Nick mich praktisch erpresst hatte, damit ich mit ihm ging. »Oh«, sagte Kate, und ihr Lächeln war echt. »Ich dachte, ihr beide würdet etwas länger brauchen, bis es funkt. Mit euch beiden ist ja nicht so leicht auszukommen.« »Du hast versucht, uns zu verkuppeln?«, fragte ich entsetzt, und dann, einen Moment danach »Mit mir ist nicht schwer auszukommen.« »Ja, natürlich habe ich versucht, euch zu verkuppeln. Ich wollte jemanden finden, mit dem du über Greg hinwegkommen kannst. Ich wollte nicht, dass du trübsinnig wirst, und ich dachte, Nick wäre ein guter Kandidat für Ablenkungssex.« »Danke«, sagte ich und zuckte zusammen.

  Das Problem war, dass ich mit Nick keinen Ablenkungssex wollte. Mit Nick wollte ich Beziehungssex, aber jetzt könnte ich nie sicher sein, ob es das eine oder das andere war.

  »Du siehst klasse aus heute Abend«, sagte ich zu ihr.

  »Nun, ich dachte, wenn ich mir nicht ein bisschen Mühe mit der Garderobe gäbe, würdest du den ganzen Abend an mir herummeckern.« Ich wollte ihr widersprechen, aber sie hatte wohl recht, also war ich still.

  »Da wir schon mal über Greg reden«, sagte Kate. »Es ist mir wirklich unangenehm, aber sie sitzen an unserem Tisch. Und ehe du fragst, ich habe schon versucht, sie an einem anderen Tisch unterzubringen, aber es will auch niemand anders mit ihnen am Tisch sitzen.« »Was?«, fragte ich empört.

  Ich suchte schon nach dem Ausgang, als ich sah, dass Nick zu unserem Tisch kam. Ich wusste, dass ich seine ganze Aufmerksamkeit hatte, denn alle meine Nackenhaare stellten sich auf und meine Brustwarzen wollten sich in seine Richtung drehen, wie Peilsender.

  »Was ist los?«, fragte er und bot mir den Stuhl zum Hinsetzen an.

  »Wir müssen gehen«, sagte ich und griff nach meiner Handtasche.

  »Du kriegst das hin, Addison«, sagte Kate und drückte mich runter auf meinen Stuhl. »Denk nur dran, dass du Veronica nicht schlagen darfst, außer wenn sie als Erste angreift. Ich will nicht, dass man dich verhaftet. Obwohl du ja Freunde hast, die einflussreich genug sind, um dich leicht wieder rauszuholen, und wenn wir einen verständnisvollen Richter finden, kommst du wahrscheinlich auch ohne eine Haftstrafe davon.« Mike verdrehte die Augen in Kates Richtung. »Vielleicht brauchst du zur Entspannung nur etwas zu trinken.« »Etwas zu trinken. Das ist eine gute Idee«, sagte ich, während ich vor Panik fast hyperventilierte. Ich umklammerte Nicks Arm und vergrub meinen Kopf zwischen meinen Knien.

  »Könnte mir vielleicht bitte jemand sagen, was los ist?«, fragte Nick und sah uns beide an, als gehörten wir in die Klapsmühle.

  »Addisons Ex-Verlober und die Andere sitzen heute mit uns am Tisch«, flüsterte Kate.

  »Oh. Und was ist groß dabei? Wir sind doch alle erwachsen«, sagte Nick, der offensichtlich nicht mit allen Einzelheiten der Trennung vertraut war.

  »Greg und das Flittchen wurden erwischt, als sie es am Tag von Addisons Hochzeit in der Limousine trieben«, sagte Kate und lehnte sich soweit um mich herum wie möglich, damit Nick die elende Story hören konnte.

  »Tatsächlich?«, fragte Nick und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, das ein Lachen ankündigte.

  »Wag bloß nicht zu lachen«, sagte ich. »Es ist nicht im Geringsten lustig.« »Nein, ist es nicht«, sagte er und lächelte immer noch. »Heißt das, ich bin deine Ablenkung?« Er fuhr mit dem Finger an meiner Wange herunter und schickte Hitzewellen direkt in meine Unaussprechlichen. Ich lief rot an, weil ich nicht genau wusste, wie ich antworten sollte. War ich an ihm nur als Ablenkung interessiert? Das Kribbeln, das durch meinen Körper jagte, sagte mir etwas anderes. Dieses Kribbeln hatte ich noch nie zuvor mit jemandem erlebt. Ich bin nicht der erfahrenste Mensch der Welt, vielleicht kam ja das Kribbeln nur, wenn man auf Ablenkung aus war. Ich musste wohl jemanden fragen, der über so etwas Bescheid wusste.

  Erfreulich war, dass die sexuelle Energie von Nicks Berührung mich vom Hyperventilieren abhielt. Unerfreulich war, dass ich noch keinen Ausweg aus einer Situation gefunden hatte, die auf jeden Fall ungemütlich zu werden versprach.

  Am Tisch wurde es still, als Greg und Veronica kamen. Veronica zog Greg hinter sich her wie einen Hund an der Leine und ihr Gesicht bekam einen Ausdruck teuflischer Erregung, als sie sah, wo sie sitzen würde. Ihre beiden D-Cups hatten Mühe, den hautengen glitzernden Silberfummel zu halten, der seitlich geschlitzt war, um ihre langen gebräunten Beine zu zeigen. Ich fragte mich, was diese Frau einer Klasse von Teenagern wohl beibrachte; wahrscheinlich nicht, wie man einen Truthahn brät.

  »Ach, hallo allerseits«, sagte Veronica und triefte vor Honigsüße und südlichem Charme, alles so falsch wie ihr Silikonbusen.

  Sie bestand darauf, beiden Männern die Hand zu schütteln und hielt Nicks Hand ein bisschen zu lang für meinen Geschmack. Ich muss wohl geknurrt haben, denn sie fuhr recht schnell zurück und Nick fing an zu lachen.

  »Ruhig, Tiger«, flüsterte er mir ins Ohr. »Ich gehe nirgendwo hin.« Seltsamerweise trösteten mich seine Worte. Nick hatte vielleicht bei der Etikette seine Probleme, aber er hatte etwas an sich, das sagte, dass man ihm vertrauen konnte. Ich entspannte mich auf meinem Stuhl und beobachtete Greg, als er neben Veronica seinen Platz einnahm.

  Greg zupfte eine unsichtbare Fussel von seinem Jacket und trommelte nervös mit den Fingern auf den Tisch. Ein leichter Schweißfilm überzog seine Oberlippe und seine Stirn. Greg sah nicht so gut aus und er brauchte einige Minuten, bevor er meinem Blick begegnete.

  »Addison«, sagte er u
nd nickte mir zu. »Du siehst hübsch aus heute Abend.« Ich nickte zum Dank höflich zurück und war extrem stolz auf mich. Heute Abend war ich die Wohlerzogenheit in Person. Tatsächlich hätte ich gern mit einem ebenso nichtssagenden Kompliment geantwortet, aber ich konnte nicht lügen. Neben Nick war Greg langweiliger als die Tapete. Sicher war er mit seinem Smoking gut gekleidet und ganz der aufstrebende Versicherungsvertreter, aber neben Nick verblasste er völlig. »Ich hatte heute Abend gar nicht mir Ihnen gerechnet, Greg«, sagte Kate. Die Gute versuchte, mich aus dem Gespräch herauszuhalten, damit ich nichts sagen konnte, was ich später bereuen würde.

  »Ich bin immer auf der Suche nach neuen Kunden«, sagte Greg mit einem gezwungenen Lächeln.

  Bei dieser Neuigkeit musste ich breit grinsen, denn wenn Greg auf Kundensuche hier war, hatte Kate recht und die Klatschgeschichten stimmten. Wahrscheinlich wollte niemand Versicherungen von einem stadtbekannten Fremdgeher kaufen.

  Ich lehnte mich zu Nick hinüber und flüsterte ihm ins Ohr. »Ich glaube, mit Greg stimmt etwas nicht«, sagte ich, nur am Rande interessiert.

  »Klar wie Kloßbrühe. Der Mann hat dich wegen einer Gummipuppe verlassen. Er wünschte wahrscheinlich, er wäre nicht so blöd gewesen.« Ich grinste und küsste Nick spontan auf die Wange. Das war eines der liebsten Dinge, die jemals jemand zu mir gesagt hatte.

  »Danke für das Kompliment, aber das habe ich nicht gemeint. Greg sieht aus, als würde er gleich mit einem Herzinfarkt umkippen. Schau mal, wie rot er ist.« »Würde mich nicht wundern«, sagte Nick und nahm einen Schluck Bier. »Würde mich auch nervös machen, in einem Raum voller Polizisten zu sitzen, wenn ich wüsste, sie wollen mich verhören«.

  »Was?« zischte ich ihm ins Ohr. »Das sagst du nicht im Ernst. Was ist passiert?« »Es scheint, dass du und Greg dieselbe Stammkneipe habt. Das The Foxy Lady ist bei Leuten aus Whiskey Bayou beliebt.« »Greg war im The Foxy Lady?« Ich dachte kurz nach und dann wurde mir klar, was das hieß. »Er hat mich auf der Bühne tanzen gesehen?«, fragte ich erschrocken.