Whiskey Lullaby Read online

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  Das einzige andere schwarze Kleid in meinem Schrank war ein Wollkleid im Fünfziger Jahre-Stil mit ausgestelltem Rock und schmalem schwarzem Gürtel. Ich hatte es im Ausverkauf bei Neiman zu einem Viertel des ursprünglichen Preises erstanden, aber es waren noch alle Etiketten dran, weil das Wetter in Georgia für ein Wollkleid eigentlich nie passt. Sobald der Stoff nass wurde, würde ich mir vorkommen, als würde ich von einem Wollmammut erdrückt, aber trotzdem nahm ich es vom Bügel.

  Ich ließ die Strumpfhose weg, zog ein paar Riemchensandalen mit mittelhohem Absatz an, griff mir einen rosa Regenmantel und stopfte ein paar Papiertaschentücher in die Manteltaschen.

  Mein Auto stellte ich auf dem Parkplatz ab und stapfte bis zum Eingang der Sakramentskirche hinter allen anderen Trauernden her. Zu Beerdigungen kamen in Whiskey Bayou alle. Alle Geschäfte machten zu, bis auf das Good Luck Café, und das war nur offen, weil es sich auf die Masse der Trauergäste vorbereiten musste, die das kleine Lokal nach dem Begräbnis heimsuchten.

  Die katholische Kirche war voll, ich fand gerade noch einen Platz in einer der hinteren Reihen. Beide Emporen waren voll besetzt und im Chorraum standen dicht gedrängt die Sänger in ihren weißen Roben. Über Herrn Butlers Mahagoni-Sarg war ein weißes Tuch drapiert; der Sarg war geschlossen, damit sich die Gäste kein allzu deutliches, indiskretes Bild davon machen konnten, wie eine Leiche nach der Obduktion aussah.

  Herrn Butlers Familie ging im Trauerzug von hinten durch die Kirche bis zu den vordersten Reihen, die für die Angehörigen reserviert waren. Ich kannte niemanden von ihnen, da Herr Butler einige Jahre vorher von einer High School aus Savannah hierher versetzt worden war und seinen Wohnsitz dort behalten hatte, anstatt nach Whiskey Bayou zu ziehen. Am Ende des Trauerzuges sah ich Herrn Butler, bloß in jünger, sicher sein jüngerer Bruder. Er hatte das gleiche sandfarbene Haar und den gleichen schmächtigen Körper.

  Die Butlers hatten mit ihren Genen nicht gerade das große Los gezogen, sie sahen alle aus wie Mr. Burns von den Simpsons, und wenn man die Mutter an der Spitze der Prozession betrachtete, war es offensichtlich, dass die Söhne nach ihr geschlagen waren.

  Der jüngste Bruder drehte sich um, als er an meiner Bankreihe vorbei kam und warf mir einen so hasserfüllten Blick zu, dass ich tief durchatmen musste und vor Verlegenheit rot wurde; die Leute um mich herum begannen nervös zu kichern. Ich ließ mich in meinen Sitz sinken und wünschte, ich hätte so einen schwarzen Hut mit Schleier auf.

  »Wir sind heute hier beisammen, um das Leben von Bernard Ulysses Basil Butler zu feiern.« Ich nahm ein Papiertaschentuch und hielt es mir vors Gesicht, damit man mein Grinsen nicht sah. Wie konnte nur jemand ein armes, hilfloses Baby so nennen? Ich kniete nieder, setzte mich und sang und kniete noch mehrere Male mit der restlichen Trauergemeinde nieder. Ich weinte noch nicht einmal, bis die Frau neben mir sich schnäuzte und den Schluckauf bekam. Wir knieten wieder nieder, beteten noch ein bisschen und dann hörte ich mir die Geschichten an, die Herrn Butlers Angehörige und Freunde über ihren lieben Verstorbenen erzählten.

  Der junge Mann, der mich so hasserfüllt angeschaut hatte, war tatsächlich der jüngste der Brüder Butler, er hieß Robbie. Bereits als er seinen Platz am Rednerpult einnahm, verspürte ich ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube.

  »Mein Bruder war ein guter Mann«, sagte Robbie mit zitternder Stimme. Seine Augen waren rot gerändert und voller Trauer. »Er war ein Mensch, der die Seelen aller Menschen berührte, denen er begegnete.« Ich musste daran denken, wie Herr Butler die Seele seiner Lap-Tänzerin berührt hatte, aber das hatte Robbie wohl nicht gemeint.

  »Bernie war mein Bruder. Und mein Schutzengel. Er beschützte mich immer, koste es, was es wolle. Aber er hatte niemanden, der ihn beschützte, als man ihm so hinterhältig das Leben nahm.« Robbie sah mir direkt in die Augen und den Hass bildete ich mir nicht nur ein, wie ich anfangs noch gehofft hatte.

  »Bernie war mein Schutzengel, aber er war auch ein Mensch. Ein Mensch, der Fehler machte und falsche Entscheidungen traf. Er fiel der Schönheit und den Verführungskünsten eines schamlosen Weibes zum Opfer. Eine Verführerin, die ihm auch gleich selbst ein Messer ins Herz hätte stechen können.« Die Menschen blickten nervös um sich und versuchten zu verstehen, wen Robbie so intensiv anstarrte. Ich tat das Gleiche. Ich wollte diese Verführerin genauso sehen wie jeder andere hier.

  Vorn in der Kirche hörte ich Frau Butler schluchzen, der Chor wartete nervös auf seinen Einsatz.

  »Bernie war ein Opfer. Diese Frau lockte ihn mit ihrem Körper und brachte ihn mit unsittlichen Versprechungen vom rechten Wege ab. Wer Bernie kennt und die Klatschgeschichten gehört hat, weiß, dass er nie in ein solches Lokal gegangen wäre, wie das, in dem er ermordet wurde, wenn man ihn nicht in eine Falle gelockt hätte.«

  Robbie hatte während seiner ganzen Ansprache immer nur mich angesehen, und wie ein Blitzschlag traf mich plötzlich die Erkenntnis, dass er mich meinte. Ich war diese Frau. Die schamlose Verführerin.

  Entsetzen trat in mein Gesicht und er lächelte mich böse an. Wie kam Robbie darauf, ich hätte etwas mit Herrn Butler gehabt? Die einzige Erklärung war, dass er mein Geheimnis kannte. Aber woher? Und das erklärte noch nicht, warum er dachte, wir hätten etwas miteinander gehabt.

  »Ich bitte jeden Einzelnen von Ihnen, der Schutzengel Ihrer geliebten Menschen zu sein. Schützen Sie sie vor Übeltätern und Huren und überlassen Sie die Aufgabe nicht Ihren Nachbarn, denn wie gut kennen Sie den Menschen wirklich, der neben Ihnen sitzt?« Robbie Butler verließ das Pult, setzte sich neben seine Mutter und legte tröstend einen Arm um ihren schmächtigen Körper. Der Rest der Gemeinde saß still da und schwieg gottesfürchtig. Wenn meine Knie nicht so geschmerzt hätten, hätte ich gedacht, ich sitze mitten unter ein paar Lutheranern, die in einen Baptisten-Zeltgottesdienst geraten sind. Die Trauerreden ließen allerdings etwas zu wünschen übrig.

  Ich saß, kniete und betete noch eine halbe Stunde weiter, bevor die Sargträger Herrn Butler den Mittelgang hinunter trugen. Mit gesenktem Kopf schaute ich auf meine Füße, als die Familie langsam hinter dem Sarg herging. Robbie Butlers vorwurfsvolles Starren hätte ich nicht noch einmal ausgehalten.

  Die Reihen leerten sich und alle wurden eingeladen, zum Friedhof nebenan zu kommen. Schirme öffneten sich und ich versteckte mich in der Menschenmenge, huschte zum Auto und machte mich davon.

  Ich war im Hause des Herrn eine Hure, ein schamloses Weib und eine Verführerin genannt worden. Auch wenn niemand wusste, dass Robbie mich gemeint hatte, stach der Stachel nicht weniger. Wenn mich jemand Hure nannte, dann wollte ich verdammt nochmal auch den dazugehörigen Sex.

  * * *

  Es war nach zwölf, als ich in meine Wohnung zurück kam. Als Trostpflaster für die Beule am Kopf zog ich einen kurzen schwarzen Jeansrock und ein rückenfreies leuchtend blaues Top an und suchte nach etwas Essbarem, aber die Mittagessensfee war während meiner Abwesenheit nicht vorbeigekommen.

  Als es um drei immer noch regnete, lief ich die Treppe hinunter und lieh mir von Frau Nowicki zwei Packungen Double-Fudge-Brownie-Backmischung, damit ich nicht ständig an Robbie Butler, die Ermordung meines Schulleiters, das Geld für mein Haus und Nick Dempsey denken musste – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

  »Okay. Ich muss da jetzt einfach durch. Der fremdgehende Abschaum der Menschheit wird nie erwischt, wenn ich vor einem bisschen Regen Angst habe.« Ein bisschen Regen war vielleicht eine ganz leichte Untertreibung. Es war eine Sturmflut, bei der kein normaler Mensch noch mal raus gegangen wäre. Verdammt ungünstiger Tag für die Totengräber.

  Ich packte meine Brownies ein und zog statt der Sandalen ein paar hübsche rosafarbene Galoschen mit Gänseblümchen und meinen rosa Regenmantel an. Zum Glück war ich faul gewesen und hatte angesichts des steigenden Wasserpegels auf dem Parkplatz direkt am Haus geparkt. In einem Swimmingpool hätten mir auch Galoschen nichts genützt.

  Wie erwartet, war außer mir bei diesem Wetter niemand so verrückt, das Haus zu verlassen, also ging die Fahrt zu Kates Büro ziemlich schnell, wenn man bedenkt, dass ich praktisch nichts sehen konnte. »Hier riecht‘s nach B
rownies.«

  Ich war kaum durch die Tür, da kamen Kate und weitere zehn Leute auf mich zu. Alle waren vorher in irgendeiner Form bei der Polizei beschäftigt gewesen, das heißt sie reagierten schon auf abgestandene Berliner wie der Pawlowsche Hund, also erst recht auf hausgemachte Brownies.

  »Ich hab nur zwei Dutzend gemacht, ihr müsst sie euch teilen.« »So läuft das hier aber nicht«, sagte Kate und nahm sich zwei. »In diesem Büro herrscht das Recht des Stärkeren.« Ich nahm mir schnell selbst zwei und gab den Rest ab, bevor ich noch selbst aus Versehen mitgegessen wurde. Dann folgte ich Kate, mit dem Fotoapparat und den Notizen über Barry Crumb bewaffnet, in ihr Büro .

  »Diese blauen Flecken sehen aus, als würden sie weh tun.« »Verdammt. Ich dachte, sie würden niemandem auffallen.« Ich schlüpfte aus meinem Regenmantel und hing ihn an die Garderobe in der Ecke von Kates Büro. Kate war ein großer Fan des Film Noir und alles in ihrem Büro sah aus, als käme es direkt aus einem Schwarz-Weiß-Film, bis hin zu den Jalousien und der schwarzen Aufschrift an ihrer Bürotür.

  Heute trug sie einen Nadelstreifenanzug, der genauso formlos war wie der, den ich das letzte Mal an ihr gesehen hatte, und vernünftige flache Schuhe. Wahrscheinlich brauchte sie einen weiten Blazer, damit man ihre Pistole nicht sah.

  »Der Pony steht dir übrigens gut. Und die Klamotten sind eine nette Ablenkung«, sagte Kate.

  »Danke. Offensichtlich nicht genug Ablenkung, wenn dir als Erstes meine Stirn aufgefallen ist, als ich rein kam.« »Also eigentlich sind mir als Erstes die Brownies aufgefallen. Und vielleicht ist mir der blaue Fleck aufgefallen, weil Nick heute Morgen vorbei gekommen ist und mir erzählt hat, was gestern Abend passiert ist.« »Ich glaube, ich mag Nick nicht. Er ist so sensibel wie ein Klumpen Lehm.« »Er ist halt ein Mann. Aber er ist ein verdammt guter Polizist. Und er hat anscheinend eine kleine Schwäche für dich.« »Oh ja. Das habe ich gestern Abend gleich gemerkt, als er sagte, er hätte mir nur geholfen, weil du dich ärgern würdest, wenn mir jemand deine Kamera klaut.« »Wenn du ihm ganz egal wärst, hätte er dich fallen lassen und nur die Kamera in Sicherheit gebracht.« »Okay, also ist Nick ein Heiliger. Dann sollte er seine Heiligkeit lieber an jemand anderem auslassen. Ich hatte in meinem Leben schon mit genug Blödmännern zu kämpfen.« »Du meinst also, du warst nicht scharf auf ihn, als er gestern hier hereinkam? Ich kenne dich zu lange, um nicht zu sehen, wenn du scharf auf jemanden bist.« »Sicher fand ich ihn attraktiv. Der Mann ist göttlich. Aber er hat einen Charakter wie ein Troll. Wenn ich ihn nur zum Schweigen bekäme und ihn mir gefügig machen könnte, wäre ja alles gut, aber ich habe das Gefühl, ihn kriegt man nicht zum Schweigen.« »Die Geschichte mit Greg hat dich zynisch gemacht.«

  »Ich weiß. Ich bin bloß so genervt von allem. Mein Leben geht im Moment total den Bach hinunter.« Ich blies mir meinen neuen Pony aus den Augen und fragte mich, was ich mir dabei gedacht hatte. Es würde dauern, bis der wieder herausgewachsen war. »Wie war die Beerdigung?«, fragte Kate.

  »Lang, traurig, langweilig. Das Übliche«, sagte ich. »Herrn Butlers Bruder hat mich vor der ganzen Gemeinde eine Hure genannt, aber abgesehen davon, war es der übliche Kram.« »Was?«

  »Nun er hat nicht wörtlich gesagt Diese Addison Holmes ist mit hundertprozentiger Sicherheit eine Hure, aber er hat mich direkt angesehen, als er in der Traueransprache darüber sprach, wie sein Bruder verführt wurde. Er sah wirklich aus, als würde er mich hassen. Es war beängstigend.« Ich dachte an die anonyme Mitteilung auf dem Handy und das Foto an meinem Fenster und fragte mich, ob Robbie Butler wohl der Schuldige war.

  »Wenn er dich nicht namentlich genannt hat, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Vielleicht hat er ein Glasauge und konnte nur dich anschauen.« »Du könntest recht haben. Aber ich dachte immer, Glasaugen seien ausdruckslos, nicht hasserfüllt und bedrohlich.« »Wie gesagt, mach dir keine Sorgen. Du hast größere Probleme mit John Hyatt und Veronica Wade. Abgesehen davon, dass du schon eine Weile keinen Sex mehr hattest.« »Ich verstehe nicht, warum Beziehungen für mich so schwierig sind«, sagte ich. »Ich sehe nicht grauenhaft aus. Und ich habe ein festes Einkommen.« »Das kommt schon noch, Schätzchen. Wenn du gar nicht danach suchst. Gib dich nicht mit dem Erstbesten zufrieden, nur weil du eine Beziehung willst. Mit Greg hättest du dich zufrieden gegeben. Aber nimm mich und Mike. Ich wollte nie heiraten, und dann hätte ich ihn fast erschossen und er hätte mich fast verhaftet und dann haben wir uns verliebt und für die Handschellen eine sinnvollere Verwendung gefunden.« Mike war schon fünf Jahre Kriminalbeamter, als Kate auf die Akademie kam, sie hatten also nicht in den gleichen Kreisen verkehrt. Sie lernten sich völlig zufällig kennen, als Kate Mike dabei erwischte, wie er um ihr Wohnhaus herumschlich und einen Jungen suchte, der gerade einen Getränkeladen ausgeraubt hatte. Letzteres wusste Kate allerdings nicht. Sie hielt ihn für einen Einbrecher und schlug ihn mit ihrer 9mm Smith & Wesson zu Boden. Mike revanchierte sich, als er wieder zu Bewusstsein kam; er überwältigte sie und fesselte sie mit den Handschellen an die Rohre außen am Haus. Seitdem hatte es zwischen den beiden gefunkt und nicht mehr aufgehört.

  »Über Greg war ich in dem Moment hinweg, als er fremdging. Jetzt suche ich einfach jemanden, mit dem ich Spaß haben kann. Jemanden, mit dem ich reden, mich entspannen und wahnsinnigen Sex haben kann. Du hast sicher recht. Wenn der Richtige kommt, dann werde ich ihn erkennen.« »Deswegen habe ich für dich für morgen Abend ein Date organisiert«, sagte Kate. »Um sieben kommt er dich abholen. Zieh dir was Nuttiges an.« »Ich will kein Blind Date. Mit wem willst du mich überhaupt verkuppeln? Doch nicht mit Mikes Cousin, oder? Ich glaube wirklich nicht, dass wir zusammen passen. Er ist ein Baby.« »Nein, nicht mit Mikes Cousin. Es ist eine Überraschung. Sei einfach um sieben fertig und offen für alles.« »Nun ja, das klingt vielversprechend.«

  Als ich den Rest meines Brownies vertilgt hatte, fiel mir wieder ein, warum ich eigentlich hergekommen war. »Apropos Fremdgänger, schau dir mal die Photos von Barry Crumb an. Ich habe ihn sozusagen in flagranti erwischt.« Ich übergab Kate die Kamera und lehnte mich mit einem zufriedenen Lächeln zurück, mit den Füßen auf einer Ecke ihres Schreibtischs. Was Recht und Ordnung anging, war alles im Lot. »Das ist echt ein toller Job, Kate. Danke, dass du mir diese Möglichkeit gibst. Es macht mir mein Leben leichter, wenn ich sehe, wie beschissen das der anderen ist.« »Das sind gute Bilder. Auf jeden Fall gut genug für Frau Crumb. Ich werde es ihr überlassen, was sie damit machen will. Wen nimmst du dir als Nächstes vor?« Ich ließ unerwähnt, dass ich mit der Bitte an Victor Mooney, auf John Hyatt aufzupassen, bereits gegen die Regeln verstoßen hatte. Kate hätte die Logik dahinter nicht verstanden. Eigentlich brauchte ich einen Partner. Es war schwierig, an zwei Orten gleichzeitig zu sein.

  »Ich habe die Fälle Gretchen Wilder, John Hyatt und Harry Manilow noch nicht abgeschlossen. Der Fall Wilder sieht interessant aus. Die Akte ist so dick, sie ist wohl schon lange Kundin. Eigentlich könnte sich ihr Mann dein Honorar sparen und einfach die Scheidung einreichen. Sie hört ja offensichtlich nicht auf, fremdzugehen.« »Die Wilders werden beide nicht aufhören, fremdzugehen. Sie zahlen uns ein festes Honorar, damit wir sie jeweils mit verschiedenen Partnern fotografieren. Und je eindeutiger die Bilder sind, um so besser. Das ist für sie anscheinend ein Art Vorspiel.« »Warum verschwende ich dann meine Zeit, wenn wir sicher sind, dass sie fremdgeht?« »Weil sie uns ein Heidengeld dafür zahlen, dass wir ihnen die Beweise liefern. Wir sind weder Eheberater noch Scheidungsanwälte. Wir tun einfach das, wofür wir bezahlt werden.« »Die Leute sind schon komisch«, sagte ich mit einem Kopfschütteln. »Das verdirbt mir richtig den Spaß.« Wir unterbrachen das Gespräch, als es an der Tür klopfte; diese ging auf, noch bevor Kate den Anklopfer hereinbitten konnte.

  »Die Brownies habe ich wohl verpasst«, sagte Nick und legte einen Stapel Akten auf Kates Schreibtisch. »Vielleicht könnte ich Sie überreden, noch ein paar für mich zu backen, wo ich doch gestern Abend so nett zu Ihnen war.« Ich nahm die Füße vom Schreibtisch und versuchte, auszusehen, als könne ich auch damenhaft sein, wenn die Situation es erforderte. Seinem Blick traute ich nicht
. »Das klingt nach einem fairen Tausch. Vielen Dank nochmals für Ihre Hilfe.« Ich konnte auch nett sein, wenn ich wollte. Nur hatte Nick etwas an sich, das mich eher dazu verleitete, widerspenstig zu sein.

  »Ich bin dann mal weg, Kate.« Ich holte meinen Mantel von der Garderobe und warf ihn mir über. »Ich muss noch die Wilders befriedigen.« »Denk dran, je heißer die Bilder, um so besser.«

  »Ja, ja, ich weiß. Man sieht sich«, sagte ich zu Nick.

  »Hey, eine Sekunde noch«, rief er, bevor ich die Tür erreicht hatte.

  Ich wartete genervt, als er auf mich zukam, und fragte mich, womit er mich wohl dieses Mal ärgern würde. Mein Atem ging schnell und stockte, als ich sah, wie seine Hand auf meine Brust zukam. Mein ganzer Körper brannte unter der kurzen Berührung seines Fingers; ich sah, wie er meine Reaktion mit einem zufriedenen Lächeln quittierte und das kleine Stückchen Brownie, das auf meinem Top gelandet war, in seinen Mund beförderte.

  »Hm—leckeres Brownie.«

  Ein kleiner Teil von mir wollte ihm ins Gesicht boxen, aber hauptsächlich wollte ich mir einfach die Klamotten vom Leib reißen. Ich konnte meine Würde nicht durch eine Antwort wiederherstellen, weil meine Zunge mir einfach nicht gehorchte. Also riss ich mir meine Sachen an die Brust und ging mit erhobenen Schultern durch die Tür.